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       # taz.de -- Volkskongress in China: Ein Paukenschlag zum Schluss
       
       > Dritte Amtszeit für Xi Jinping, weniger Konsens und das Militär als
       > „Mauer aus Stahl“:​ Mit dem Volkskongress endet in China endgültig die
       > Reformära.
       
   IMG Bild: Musiker eines Militärorchesters stimmt sich auf die Abschlussveranstaltung des Volkskongresses ein
       
       Peking taz | Als Xi Jinping am Montagmorgen in die Große Halle des Volkes
       trat, ermahnte er die knapp 3.000 Delegierten so deutlich wie selten zuvor
       und erinnerte an seine historische Vision. Erst mit der Gründung der
       kommunistischen Partei habe das Jahrhundert der Erniedrigung überwunden
       werden können, sagte der 69-Jährige in seiner Grundsatzrede. Nun werde man
       wieder nach alter Größe streben: „Die große Erneuerung der chinesischen
       Nation ist unumkehrbar“.
       
       Mit solch patriotischer Rhetorik läutete der chinesische Staats- und
       Parteichef das Ende des diesjährigen Volkskongresses ein. Besonders ein
       Ausspruch wird von seinem Auftritt in Erinnerung bleiben: Xi kündigte an,
       seine Volksbefreiungsarmee zu einer „großen Mauer aus Stahl“ zu formen, um
       Chinas nationale Sicherheit zu gewährleisten.
       
       Die Botschaft war klar: Früher konnten ausländische Kräfte das Reich der
       Mitte kolonialisieren und in die Knie zwingen, weil es militärisch und
       technologisch unterlegen war. Nun, da Xi erneut eine „Kampagne der
       Unterdrückung“ aus Washington wittert, müsse man alles dafür tun, dass sich
       die Geschichte nie mehr wiederhole.
       
       Auch bei der sogenannten Taiwan-Frage machte Xi deutlich, dass Peking keine
       „ausländische Einmischung“ auf dem Weg zur „Wiedervereinigung“ dulde. Doch
       er scheute diesmal davor zurück, eine direkte militärische Drohung
       gegenüber dem demokratisch regierten Inselstaat auszusprechen.
       
       ## Abschied vom Konsens
       
       Wirklich neu war keine von Xis Kernbotschaften. Dennoch ist am Montag
       endgültig eine Reformära zu Ende gegangen, die der 1992 verstorbene Deng
       Xiaoping eingeleitet hatte, indem er marktwirtschaftliche Reformen zuließ,
       Partei und Regierung voneinander trennte und auch die Macht innerhalb der
       Regierung auf ein mehrköpfiges Führungsgremium verteilte. Nie wieder sollte
       es einen Alleinherrscher wie Mao Tsetung geben, der das Land in Chaos
       stürzte.
       
       Xi Jinping hat sich nun von fast sämtlichen Prämissen verabschiedet.
       [1][Nicht zuletzt hat er sich als erster chinesischer Staatschef seit Mao
       eine dritte Amtszeit zugesichert.] Mehr noch: Er hat sich vom
       konsensbasierten Führungsmodell verabschiedet und nur mehr enge Verbündete
       in seine Führungsmannschaft geholt. Auch sein Persönlichkeitskult hat
       Orwellsche Maße angenommen.
       
       Angesichts dessen war der erste öffentliche Auftritt der neuen Nummer zwei
       im Land bemerkenswert: [2][Li Qiang, bis letzten Herbst Parteisekretär von
       Schanghai, gab am Montag seinen Einstand als neuer Regierungschef] mit
       einer knapp anderthalbstündigen Pressekonferenz.
       
       Der 63-Jährige ließ keinen Zweifel, dass er – obwohl überzeugter
       Xi-Loyalist – in seiner Gesinnung pragmatisch und marktwirtschaftlich
       orientiert ist. Seine Rhetorik bediente keine nationalistischen Ängste,
       stattdessen sprach Li vergleichsweise offen und in einigen Punkten
       selbstkritisch die realen Probleme der Bevölkerung an.
       
       Mehrfach versuchte der neue Regierungschef ganz direkt, internationale
       Investoren zu beschwichtigen – wohl um den Eindruck zu vermeiden, dass die
       ideologisch motivierte Lockdown-Politik der letzten Jahre sich wiederholen
       könne. Die Regierung solle sich bemühen, ein „freundliches Geschäftsumfeld
       zu schaffen und sich um private Unternehmer kümmern“, sagte er.
       
       Auch gegenüber den USA stimmte er einen moderaten Tonfall an: Die beiden
       größten Volkswirtschaften seien wirtschaftlich eng miteinander verbunden
       und würden von ihrer gegenseitigen Entwicklung profitieren. „China und die
       USA können und müssen zusammenarbeiten“, sagte Li Qiang. Damit setzte er
       sich deutlich von Xi Jinpings jüngster Aussage ab, dass die USA und weitere
       Länder Chinas Aufstieg „eindämmen“ wollten.
       
       ## „Konflikt und Konfrontation“
       
       Tatsächlich betreibt US-Präsident Joe Biden eine harte Industriepolitik
       gegen die Volksrepublik, die jüngst in Technologie-Sanktionen gipfelte.
       Doch gleichzeitig unterbindet Xi mithilfe seines flächendeckenden
       Zensurapparats jegliche Debatte über die dahinter liegenden Gründe: Noch
       als Barack Obama eine offene Hand Richtung Peking streckte, „dankte“ es die
       Volksrepublik ganz und gar nicht – im Gegenteil: Sie verstieß gegen
       internationales Recht und annektierte Teile des Südchinesischen Meers.
       
       Auch dass die USA 2001 die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation
       (WTO) begrüßten und zudem maßgeblich beim rasanten wirtschaftlichen
       Aufstieg des Landes halfen, möchte man in Peking dieser Tage am liebsten
       vergessen.
       
       Stattdessen weht gegenüber Washington ein ganz anderer Wind. Das hat der
       neue Außenminister Qin Gang beim [3][Volkskongress] eindrücklich bewiesen:
       Wenn die Vereinigten Staaten ihre falsche China-Politik fortführen, sagte
       der ehemalige US-Botschafter, dann wären die Folgen „sicherlich Konflikt
       und Konfrontation“.
       
       13 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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