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       # taz.de -- Von Nord- nach Südkorea: Flucht durch den Todesstreifen
       
       > Ein Soldat aus Nordkorea ist nach Südkorea übergelaufen. Die Regierung in
       > Seoul ruft seit kurzem Nordkoreaner wieder aktiv zur Flucht auf.
       
   IMG Bild: Ein nordkoreanischer Militärwacheposten nahe der Grenze zu Nordkorea
       
       Seoul taz | Im Morgengrauen wurde der nordkoreanische Soldat von der
       Überwachungstechnik des südkoreanischen Militärs entdeckt. Im Osten der
       Halbinsel hatte er den Weg durch den Todesstreifen genommen. Nicht nur wird
       die Gegend von patrouillierenden Wachposten observiert, sondern ist auch
       von tausenden Minen und Panzersperren durchzogen. Es gleicht einem Wunder,
       dass der Überläufer unversehrt in Südkorea aufgelesen wurde.
       
       Noch sind die Hintergründe des Falls unklar, doch eine direkte Flucht über
       die innerkoreanische Grenze ist äußerst selten. Doch vor weniger als zwei
       Wochen ist schon ein weiterer Nordkoreaner auf mindestens ebenso
       spektakuläre Weise übergelaufen: An der militärisch hochgerüsteten
       Westküste konnte sich der Mann bei Ebbe auf eine südliche Insel fliehen.
       
       Warum innerhalb weniger Tage gleich zwei Nordkoreaner diese
       lebensbedrohliche Flucht gewählt haben, bleibt Spekulation. Doch es liegt
       nahe, dass die psychologische Kriegsführung des südkoreanischen Militärs
       Wirkung zeigt.
       
       Seit Wochen hat die Armee die Propagandabeschallung des abgeschotteten
       Nordkoreas wieder aufgenommen. Riesige Lautsprecheranlagen senden entlang
       des Grenzgebiets subversive Botschaften aus: Politische Nachrichten
       berichten über die Schattenseiten des Kim-Regimes, Nordkoreaner werden
       direkt aufgefordert, ihrem „sklavenähnlichen Leben“ zu entkommen, dazu tönt
       scheinbar trivialer K-Pop. Doch verheißt auch die Popmusik Wohlstand und
       Freiheit.
       
       Jang Yeong-jin floh bereits in den 90er Jahren über die innenkoreanische
       Grenze vom Norden in den Süden. Er sorgte in Südkorea vor allem deshalb für
       Schlagzeilen, weil es dem Geheimdienst dort lange ein Rätsel war, warum ein
       Nordkoreaner aus gutem Hause und angesehener Stellung eine solch
       verzweifelte Flucht wagen sollte.
       
       ## „Lieber sterben, als ein Leben ohne Hoffnung zu führen“
       
       Doch das Motiv des heute 64-Jährigen, wie er einst im Interview sagte,
       hatte mit seiner Homosexualität zu tun. Als er die entdeckte, sah er für
       sich keine Zukunft mehr im Norden: „Lieber wollte ich sterben, als ein
       Leben ohne Hoffnung zu führen.“
       
       Womöglich registriert Südkorea in nächster Zeit wieder mehr Flüchtlinge.
       Erst letzten Donnerstag [1][stellte Südkoreas konservativer Präsident Yoon
       Suk Yeol eine neue Wiedervereinigungsdoktrin vor]. „Wir müssen den Wert der
       Freiheit proaktiver auf den Norden ausdehnen und substanzielle
       Veränderungen vorantreiben“, sagte Yoon.
       
       Das heißt im Klartext: Südkorea möchte kritische Informationen in das
       abgeschlossene Land schmuggeln – etwa in Form von Heißluftballons mit
       Flugblättern.
       
       ## Seouls Vereinigungsministerium sieht Risse im Kim-Regime
       
       Dies wertet Nordkoreas Regime als Subversion und dürfte mit
       [2][militärischem Säbelrasseln] reagieren. Doch sieht das
       Vereinigungsministerium in Seoul zunehmend Risse innerhalb des Kim-Regimes.
       So soll die Führung während der massiven Flutschäden vom Juli unter Druck
       geraten sein, da der Katastrophenschutz offensichtlich versagt hat.
       
       Südkoreanische Medien haben von bis zu 1.000 Toten in Nordkorea berichtet,
       wobei die Informationslage jedoch sehr dünn ist. Nordkoreas Machthaber Kim
       Jong Un hat seitdem mehrere hochrangige Parteikader aus den betroffenen
       Provinzen geschasst – offensichtlich, um dem Volk einen Sündenbock für die
       Tragödie zu präsentieren und die eigene Verantwortung abzuschütteln.
       
       20 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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