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       # taz.de -- Vor dem EM-Viertelfinale: Vers l’avant! Nach vorne!
       
       > Beim 1:1 gegen Island hat sich Frankreich als Team der Extreme
       > präsentiert: in der Offensive exzellent, hinten mit Schwächen.
       
   IMG Bild: Guckst du: Frankreichs Melvine Malard (vorne li.) schaut sich ihren Treffer an
       
       Am Ende war die französische Presse doch ein wenig beunruhigt. Dass die
       eigene Defensive Schwächen zeigte, war auch ihr aufgefallen beim sportlich
       für [1][Frankreich] bedeutungslosen 1:1 gegen wackere Isländerinnen. Und
       mancher erinnerte sich, dass man in dieser Gruppenphase kein einziges Spiel
       zu null bestritten hat.
       
       Die französische Trainerin Corinne Diacre unterband solche Nachfragen
       frostig-entschlossen gleich im Ansatz. „Im Fußball kassiert man Tore“,
       erklärte sie brüsk. „Und dieses Gegentor ist nur eine Anekdote, das Spiel
       hätte schon längst vorbei sein müssen.“ Ihr sei es wichtig gewesen, das
       Spiel ohne Verletzte zu überstehen, die Gruppenphase sei ja schon gewonnen.
       
       Erst in der Nachspielzeit hatten die Französinnen durch einen umstrittenen
       Elfmeter nach Eingriff des Videoschiedsrichters den Ausgleich kassiert.
       Davor allerdings hatten sie vielfach bei Standards nicht gut ausgesehen.
       Zuvorderst Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin, die mehr als einmal Flanken
       gefährlich unterlief oder nach draußen stürzte, ohne den Ball zu haben. Die
       Schwachstelle der Titelfavoritinnen, so viel ließ sich feststellen, liegt
       hinten.
       
       Also noch mal, hat Frankreich ein Defensivproblem? „Das Wichtigste ist, ein
       Tor mehr zu schießen als die Gegnerinnen“, erwiderte Diacre firm. „Es gibt
       keinen Grund, beunruhigt zu sein.“
       
       ## Aus dem Hackentrick folgt das Tor
       
       Wie viel Grund zur Unruhe es gibt, ist bei diesem französischen Team eine
       Frage wie täglich Brot. Unruhe hielt sie allerdings selten davon ab,
       hervorragenden Fußball zu spielen. Das letzte Gruppenspiel gegen Island
       bleibt auch deshalb mäßig aussagekräftig, weil die bereits qualifizierten
       Französinnen ordentlich rotierten und sich, ähnlich wie die Deutschen gegen
       Finnland, nicht verausgabten.
       
       Die Favoritinnen erzielten gleich in der ersten Minute den Führungstreffer
       durch die neu in die Startelf gerückte Melvine Malard, herrlich
       herausgespielt in einer Kombi zwischen Malard und Matéo, die Malard mit
       Hackentrick eröffnete. So viel sich über die Defensive diskutieren lässt,
       offensiv bleiben wenig Fragen offen. Trotz des Kreuzbandrisses von
       Marie-Antoinette Katoto, einer der vielen hochklassigen Verluste in diesem
       Turnier, ist die rasende französische Offensive eine der besten der Welt.
       Neben Malard sorgte vor allem Sandy Baltimore für viel Betrieb.
       
       Als in der zweiten Halbzeit Turnierstar Grace Geyoro und Sakina Karchaoui
       kamen, wurde das zwischenzeitlich etwas vorhersehbare Offensivspiel gleich
       variabler. Island wehrte sich nach Kräften, konnte aber offensiv lange nur
       vereinzelte Aktionen setzen, ohne echten Druck aufzubauen. Das späte 1:1
       half nichts mehr, Belgien war durch seinen 1:0-Sieg weiter.
       
       Das französische Nationalteam bleibt eine Elf der Extreme. Sträflich war
       sie zu Beginn unterschätzt worden, weil die Berichterstattung sich auf den
       ewigen Streit zwischen Teilen des Teams und Trainerin Corinne Diacre
       konzentrierte. Ein rauschhafter 5:1-Sieg gegen die schwachen Italienerinnen
       machte Frankreich dann über Nacht zu einer Favoritin auf den Titel.
       
       Das ist nicht allzu überraschend: Mit Lyon und Paris Saint-Germain stellt
       Frankreich als einziges Land zwei Teams aus dem
       Champions-League-Halbfinale, mit Lyon die aktuellen Titelträgerinnen. Der
       größte Teil des französischen Nationalteams ist in einem der beiden Klubs
       unterwegs, und auch bei PSG spielt man jenen überfallartigen
       Offensivfußball.
       
       ## Der VAR zerhackt das Spiel
       
       „Wir haben den Vorteil, dass wir ein Team sind, das sehr offensiv spielt“,
       sagte Diacre. „Jetzt müssen wir im Viertelfinale gegen die [2][Niederlande]
       effektiver sein. Wenn wir unsere Chancen gemacht hätten, hätte das Spiel
       anders ausgesehen.“
       
       Tatsächlich hätte Frankreich die Partie auch 3:0 gewinnen können. Zweimal
       Aluminium, und zwei Tore wurden vom VAR aberkannt, eines zu Recht wegen
       Abseits, eines zweifelhaft wegen Handspiels von Geyoro.
       
       Es war eine dieser Partien, die durch VAR-Eingriffe richtungsweisend
       verändert, aber nicht unbedingt gerechter werden. Drei erneut sehr lange
       Überprüfungen in einer Halbzeit zerhackten das Spiel eher, als dass sie ihm
       dienten.
       
       Am Ende gingen die Isländerinnen stolz trotz Ausscheidens vom Platz, die
       französische Presse blieb etwas ratlos. Hat man das Team in einer eher
       leichten Gruppe am Ende überschätzt? Oder ist diese Partie im Schongang
       ziemlich egal? Vorn brillant, hinten angreifbar, so lautet womöglich das
       Fazit, das die niederländischen Scouts in ihre Blöcke notierten. Aber sie
       werden auch gesehen haben: Das meiste, was sie über diese Offensive haben
       raunen hören, ist wahr. Und wer Frankreich schlagen will, muss vermutlich
       mehr als ein Tor schießen.
       
       19 Jul 2022
       
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