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       # taz.de -- Vorwürfe gegen Grünen-Politiker Gelbhaar: Ende einer politischen Karriere
       
       > Nach Vorwürfen sexueller Belästigung wird der
       > Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar im Kampf um das Direktmandat
       > in Berlin-Pankow abserviert.
       
   IMG Bild: Aus und vorbei: Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar am Mittwochabend nach der parteiinternen Niederlage in Berlin-Pankow
       
       Berlin taz | Für den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar heißt es nach
       der Wahl am 23. Februar: Schreibtisch räumen, Koffer packen. Am
       Mittwochabend wurde Gelbhaar, der eigentlich bereits nominierte
       Direktkandidat der Grünen für den Wahlkreis Berlin-Pankow, von seinem
       Kreisverband nachträglich vom Platz gestellt.
       
       Bei einer Neuabstimmung über die Grünen-Direktkandidatur unterlag der gut
       vernetzte Verkehrspolitiker der weithin unbekannten Berliner
       Landesabgeordneten Julia Schneider mit 127 zu 269 Stimmen. Im Anschluss
       erklärte Gelbhaar: „Das ist Demokratie.“ Und dass er Julia Schneider nun
       viel Erfolg wünsche für die verbliebenen knapp 50 Tage Wahlkampf.
       
       Klar ist: Die Bundestagskarriere Gelbhaars ist mit dem Votum des
       Kreisverbands vorerst beendet. Und damit auch eine für die Grünen
       hochgradig quälende Diskussion über den Umgang mit einem Kandidaten,
       [1][dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung und übergriffiges Verhalten
       vorwerfen].
       
       Alles andere als eine Niederlage des 48-Jährigen auf der Wahlversammlung im
       Ortsteil Prenzlauer Berg hätte die Berliner Grünen dabei in noch weitaus
       größere Bedrängnis gebracht als ohnehin schon. Eine „Katastrophe mitten im
       Wahlkampf“ wäre programmiert gewesen, sagte ein prominentes Mitglied der
       Grünen am Rande des Parteitreffens zur taz.
       
       ## Absturz innerhalb weniger Wochen
       
       Gelbhaar sitzt seit 2017 im Bundestag, 2021 hatte er den Wahlkreis Pankow
       mit großem Abstand direkt gewonnen, 2025 wollte er das Mandat erneut holen.
       Die Chancen standen nicht schlecht, die Unterstützung seines
       mitgliederstarken Kreisverbands hatte er sicher. Bei einer ersten
       Wahlversammlung Mitte November wurde er mit 98,4 Prozent der Stimmen zum
       Direktkandidaten bestimmt. Wenige Wochen darauf folgten die Vorwürfe. Der
       Lack bröckelte.
       
       Bei der [2][Aufstellung der Landesliste Mitte Dezember] verzichtete der
       Realo Gelbhaar zwar auf eine Kampfkandidatur um Listenplatz 2 gegen den
       Parteilinken Andreas Audretsch aus Neukölln, seines Zeichens
       Wahlkampfmanager von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck. An seinem
       Direktmandat im Ostbezirk Pankow glaubte Gelbhaar aber festhalten zu
       müssen. Ein Unding, fand irgendwann auch der Vorstand seines Kreisverbands
       – und setzte die Neuabstimmung an.
       
       Gelbhaar streitet die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen vehement ab. Auch
       auf der Wahlversammlung am Mittwoch erklärte er: „Es gibt Behauptungen, die
       gelogen sind, und gegen diese wehre ich mich, und das erfolgreich.“ Ihm sei
       signalisiert worden, dass er sich „nicht immer adäquat“ verhalten habe.
       Aber – „ihr kennt mich“ – er werde an sich arbeiten, das weiter
       reflektieren.
       
       Gegen die „anonymen, falschen Anschuldigungen“ werde er vorgehen, auch mit
       juristischen Mitteln. „Schwierigen Situationen weiche ich nicht aus“, sagte
       Gelbhaar. Und: „Schwierige Situationen stehen wir gemeinsam durch.“ Das sah
       eine Mehrheit der anwesenden Parteimitglieder dann doch anders. Teile des
       Kreisverbands zeigten sich nach der Entscheidung bei der Wahlversammlung
       erleichtert, andere witterten weiter die große Verschwörung.
       
       ## Das Geraune von der linken Verschwörung
       
       Wer hinter der vermeintlichen Parteiintrige stecke, ließen Gelbhaars
       Anwälte zum Jahreswechsel den RBB in aller Deutlichkeit wissen: „Es liegt
       eindeutig nahe, dass es sich um ein politisch motivierte Schmutzkampagne
       von Seiten einiger linker Vertreter der Partei und der Grünen Jugend
       handelt.“
       
       Vertreter:innen der Parteilinken weisen das entschieden von sich. Und
       in der Tat stellt sich die Frage, was der linke Parteiflügel davon haben
       sollte, den eigenen Laden ausgerechnet im Wahlkampf zu demontieren.
       Audretsch hätte vermutlich auch so Landesplatz 2 geholt, auf den
       Parteitagen dominieren in Berlin die Linken.
       
       Pankow wiederum ist eine Hochburg des Realo-Flügels. Auf den
       Realo-Kandidaten Stefan Gelbhaar folgt nun konsequenterweise die
       Reala-Kandidatin Julia Schneider. Die linke Verschwörung sei letztlich ein
       Hirngespinst von Gelbhaar und seinen Unterstützer:innen, heißt es daher
       auch aus gänzlich unlinken Parteikreisen.
       
       Gelbhaar blieb unterdessen eisern bei dieser Version. Zuletzt hatte er noch
       versucht, [3][die neu angesetzte Wahlversammlung zu verschieben]. Die
       Neuwahl sei zu kurzfristig anberaumt worden, um Chancengleichheit
       herzustellen, so die Argumentation gegenüber dem Landesschiedsgericht der
       Grünen. Das Parteigremium lehnte am Dienstagabend ab.
       
       ## Schneider: „Ja, ich kann gewinnen“
       
       Die beiden Vorsitzenden des Grünen-Kreisverbands Pankow erklärten am
       Donnerstagmorgen, dass nun endlich nach vorn geschaut werden könne. „Mit
       Julia Schneider können wir jetzt geschlossen und mit voller Kraft in den
       Bundestagswahlkampf starten“, teilten Nicolas Scharioth und Maren
       Bergschneider mit. Die 34-jährige gebürtige Ostberlinerin werde „Pankow
       eine starke, ostdeutsche Stimme im Bundestag geben“.
       
       Schneider selbst hatte in ihrer Rede für sich [4][mit ihren „Kernthemen“
       Umwelt- und Klimaschutz] geworben. Sie wurde 2021 ins Berliner
       Abgeordnetenhaus gewählt – und zwar direkt, wie sie mehrfach betonte. Das,
       gab sie sich sicher, werde ihr nun auch bei der Bundestagswahl gelingen:
       „Ja, ich kann gewinnen, mit euch, für euch und die Menschen in unserem
       Wahlkreis.“
       
       9 Jan 2025
       
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