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       # taz.de -- WHO ruft Gesundheitsnotstand aus: Die Angst vor Mpox
       
       > Über 500 Menschen sind in der DR Kongo dieses Jahr bereits an
       > „Affenpocken“ gestorben. Kern des Ausbruchs liegt in einem
       > Goldgräbergebiet im Osten.
       
   IMG Bild: Munigi bei Goma im Osten der DR Kongo: Ein Arzt untersucht einen kleinen Ebola-Patienten, 19. Juli
       
       Berlin taz | Es ist die höchstmögliche internationale Alarmstufe in der
       Gesundheitspolitik: der weltweite Gesundheitsnotstand. [1][Die
       Weltgesundheitsorganisation WHO hat diesen nun ausgerufen], im Hinblick auf
       den laufenden Mpox-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo.
       
       „Die Feststellung und rapide Ausbreitung eines neuen Mpox-Stranges im
       Ostkongo, seine Feststellung in Nachbarländern, die Mpox bislang nicht
       gemeldet hatten, und das Potential weiterer Ausbreitung in Afrika und
       darüber hinaus sind sehr besorgniserregend“, [2][sagte WHO-Generaldirektor
       Tedros Adhanom Ghebreyesus] vor der Presse am Mittwochabend nach einer
       Sondersitzung des zuständigen WHO-Gremiums. Man werde jetzt „die globale
       Antwort koordinieren“ und mit den betroffenen Ländern arbeiten, „um
       Übertragungen vorzubeugen, Infizierte zu behandeln und Leben zu retten“.
       
       Mpox – die Abkürzung des englischen Begriffs für Affenpocken, die heute
       anstelle dieses für eine menschliche Erkrankung missverständlichen Namens
       verwendet wird – wütet derzeit in der Demokratischen Republik Kongo: Allein
       dieses Jahr gab es bislang 548 Tote bei 15.664 Fällen nach Angaben des
       Gesundheitsministeriums vom Donnerstag, was auf 14.626 Fälle und 654 Tote
       im gesamten Vorjahr folgt.
       
       Seit einem Monat werden auch Infektionsfälle in den Nachbarländern Burundi,
       Ruanda, Uganda sowie Kenia festgestellt – eine unkontrollierbare
       Ausbreitung wird befürchtet.
       
       ## Die Sterblichkeitsrate steigt
       
       Das Afrikanische Zentrum für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen
       (Africa CDC), gesundheitspolitisches Organ der Afrikanischen Union,
       [3][rief deswegen schon am Dienstag den afrikaweiten Gesundheitsnotstand
       aus]. Die Gesamtzahl der Verdachtsfälle in Afrika dieses Jahr, hieß es zur
       Begründung, liege bei über 17.000 – mehr als die 14.957 im Jahr 2023.
       
       Man stelle eine steigende Sterblichkeit fest, die an dem Zusammenhang
       zwischen Mpox und HIV-Aids liege: Mpox wird zwischen Menschen zumeist durch
       engen Hautkontakt und Geschlechtsverkehr übertragen, schwere oder tödliche
       Verläufe treten fast nur bei Kleinkindern oder Menschen mit geschwächten
       Immunsystemen auf.
       
       Mpox war lange eine Nischenkrankheit, eine milde, wenn auch im Verlauf sehr
       unangenehme Form der viel tödlicheren Pockeninfektion. Das Ende der
       globalen Pockenschutzimpfungen seit Ausrottung der klassischen Pocken 1980
       hat die Ausbreitung anderer Pockenformen begünstigt.
       
       In Nigeria wurde Mpox ab 2017 gehäuft festgestellt und ab Juli 2022, noch
       während der globalen Covid-19-Pandemie, plötzlich global – „in Ländern, die
       zuvor keine Fälle bemerkt hatten, insbesondere unter Männern, die
       Geschlechtsverkehr mit Männern hatten“, so WHO-Generaldirektor Tedros im
       Vorwort zum geltenden [4][Mpox-Strategiepapier der WHO].
       
       Das war insbesondere in den USA und in Brasilien, und daher rührt eine bis
       heute nachwirkende Kampagne, die Mpox als Schwulenkrankheit charakterisiert
       und die Stigmatisierung von Erkrankten fördert.
       
       Am 23. Juli 2022 rief die WHO schon einmal den internationalen
       Gesundheitsnotstand wegen Mpox aus, um globale Maßnahmen zu koordinieren.
       Mit Erfolg – fast überall gingen die Neuinfektionen stark zurück. Am 10.
       Mai 2023 wurde der Notstand wieder aufgehoben, nach 92.000 Fällen in 117
       Ländern, über 33.000 davon in den USA und über 11.000 in Brasilien.
       
       „Doch Afrika erhielt nicht die dringend benötigte Unterstützung in dieser
       Zeit“, moniert jetzt das Africa-CDC: „Global sanken die Fallzahlen, aber
       die eskalierenden Zahlen in Afrika wurden weitgehend ignoriert.“
       
       ## Neue Mutation im Goldgräberrevier
       
       Denn während dieser Ausbruch ausschließlich die milde westafrikanische
       Variante 2b betraf, regte sich im Herzen Afrikas eine Mutation der
       gefährlicheren zentralafrikanischen Variante 1. Am 16. Dezember 2022 riefen
       Kongos Gesundheitsbehörden eine „landesweite Mpox-Epidemie“ aus. Das
       Auftreten der neuen Variante stellten Mediziner laut WHO im April 2023 in
       der westkongolesischen Provinz Kwango fest, im September 2023 in der
       ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu – im Goldgräberrevier von Kamituga, wo
       ungeschützter Sex weitverbreitet ist.
       
       Am 1. Juni 2024 wurde eine Ausbreitung in die Nachbarprovinz Nord-Kivu
       festgestellt, in der Provinzhauptstadt Goma bei einer 19-Jährigen, die
       zuvor nach Süd-Kivu gereist war.
       
       Die in fast allen Landesteilen bestätigte neue Mutation ist laut WHO an
       schnellere Mensch-zu-Mensch-Übertragung angepasst. Dies dürfte auch die
       Ausbreitung über Kongos Grenzen hinaus erklären. Ob sie auch tödlicher ist,
       bleibt unklar, aber die Sterblichkeit in der DR Kongo liegt mit aktuell
       rund 4 Prozent deutlich höher als bei vorherigen Ausbrüchen.
       
       Der globale Gesundheitsnotstand hat nun weniger mit Befürchtungen einer
       globalen Ausbreitung der Seuche zu tun, die längst behandelbar und
       vermeidbar ist. Sie soll der WHO ermöglichen, Maßnahmen und Mittelfreigaben
       für die Mpox-Bekämpfung zu koordinieren.
       
       ## Kongo hat noch viel mehr Gesundheitsprobleme
       
       In der kriegsgeschüttelten DR Kongo selbst ist Mpox sicherlich nicht das
       größte Problem. Von den 110 Millionen Einwohnern leben über 40 Millionen in
       „ernster Ernährungsunsicherheit“, über 25 Millionen sind auf humanitäre
       Hilfe angewiesen, rund 7 Millionen sind Kriegsvertriebene. Malaria ist die
       häufigste Todesursache bei Kleinkindern. In der ersten Jahreshälfte 2024
       wurden im Land 1.523 Maserntote gemeldet, viel mehr als Mpox-Tote.
       
       In weiten Teilen der DR Kongo gibt es keine funktionierende
       Gesundheitsversorgung, vor allem in entlegenen Gebieten wie Kamituga.
       [5][Die Ebola-Pandemie 2018–19] im Osten des Landes mit 2287 offiziell
       bestätigten Toten und scharfen Schutzmaßnahmen ist den Menschen in frischer
       Erinnerung, ebenso [6][die vielen Covid-19-Toten] und die Abriegelung des
       öffentlichen Lebens in mehreren Zeitabschnitten zwischen 2020 und 2022.
       
       Kongos Gesundheitsbehörden würden nun gerne große Impfkampagnen
       durchführen. Das wäre nicht nur wegen Mpox dringend geboten.
       
       15 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.who.int/news/item/14-08-2024-who-director-general-declares-mpox-outbreak-a-public-health-emergency-of-international-concern
   DIR [2] https://www.who.int/director-general/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-following-the-ihr-emergency-committee-meeting-on-the-upsurge-of-mpox-2024---14-august-2024
   DIR [3] ttps://africacdc.org/news-item/africa-cdc-declares-mpox-a-public-health-emergency-of-continental-security-mobilizing-resources-across-the-continent/
   DIR [4] https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/376839/9789240092907-eng.pdf?sequence=1
   DIR [5] /Ein-Jahr-Ebola-Virus-im-Kongo/!5610235
   DIR [6] /Covid-19-in-Afrika/!5671067
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
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