URI: 
       # taz.de -- WM-Kolumne B-Note: Hochsprung, Sprint, Ausdauerlauf
       
       > Das Team der USA ist mit seiner Leichtathletisierung des Frauenfußballs
       > weit gekommen. Denn das läuft mit Sinn und Verstand.
       
   IMG Bild: Harter Fight: Englands Rachel Daly (l.) kämpft mit US-Amerikanerin Rose Lavelle um den Ball
       
       Böse Zungen behaupten, [1][das US-Team] nutze das Fußballturnier in
       Frankreich nur als eine Art Trainingslager in Vorbereitung auf die
       Leichtathletik-WM in Doha. Das Championat in Katar beginnt wegen des
       Wüstenklimas erst Ende September, doch die Form der Athletinnen aus Übersee
       ist jetzt schon formidabel. Ihre Art zu kicken führt zwangsläufig zu einer,
       nun ja, Leichtathletisierung des Frauenfußballs. Das kann man als
       Kompliment verstehen, muss man aber nicht.
       
       Im Männerbereich musste die deutsche Auswahl lange Zeit mit dem Vorwurf
       leben, nur in den Teildisziplinen Ausdauerlauf und Sprint top zu sein, aber
       nicht technisch und taktisch. Man sprach bis in die frühen nuller Jahre in
       einer merkwürdigen Mischung aus Verachtung und Anerkennung über die
       Pferdelungen der teutonischen Kicker und ihre frappierende Unermüdlichkeit.
       Sie rumpelten, okay, aber sie rackerten auch. In den Vorwurf mischte sich
       eine gehörige Portion Populismus, aber im Endeffekt hatten die Kritiker,
       die wenig überraschend zumeist aus Österreich kamen, schon recht.
       
       Nun, rumpeln tun die US-Girls sicher nicht, aber Hohepriesterinnen des
       One-Touch-Fußballs sind die US-Spielerinnen eben auch nicht. Wenn ein paar
       Seidenfüßlein aus Spanien daherkommen, können die robusten Damen aus
       Portland oder Seattle auch schon mal alt aussehen. Aber das macht nichts,
       denn die Amis haben so gut wie kein anderes Team bei dieser WM kapiert,
       worum es geht: um Präsenz und Durchschlagskraft vorm Tor. Sie setzen auf
       Tugenden, die schon die Siedler auf ihren Trecks von Ost nach West über die
       Rockies gebracht haben: Zielstrebigkeit und ein Gottvertrauen in die eigene
       Mission.
       
       Es kommt nicht von ungefähr, dass Team USA bisher 115 Schüsse abgegeben
       hat, 49 davon gingen direkt aufs Tor. Erst mit weitem Abstand folgen
       Schweden (86/32), England (78/33) und die Niederlande (68/24). Die USA
       kommen auch nicht von ihrer Linie ab, wenn sie mal wie jetzt im Halbfinale
       gegen England weniger Ballbesitz als der Gegner haben, sie laufen trotzdem
       auf ihren Bahnen, die sich als unsichtbare Trampelpfade in ihre Hirne
       gebrannt haben.
       
       ## Schneller und fitter als der Rest
       
       Vor allem: Sie laufen mit Sinn und Verstand. Sehr schön lässt sich das in
       einer Analyse des vergangenen WM-Endspiels der Amerikanerinnen gegen Japan
       ablesen. Sie machten vor vier Jahren mehr Läufe im Geschwindigkeitsbereich
       von 20 bis 23 km/h und auch bei Sprints über 23 km/h fiel die Statistik
       zugunsten von Team USA aus. Zwischen den schnelleren Sprints brauchten sie
       zudem weniger Zeit zur Erholung als die Japanerinnen. Sie waren schlichtweg
       fitter und schneller, nicht die unwichtigsten Kriterien im modernen
       Fußball.
       
       Hinzu kommt, dass die ballspielenden US-Leichtathletinnen meistens auch die
       Lufthoheit im Strafraum genießen. Sie sind Hochspringerinnen. Sie halten,
       flapsig gesagt, gern die Omme hin. Kein Wunder, dass beide Tore am
       Dienstagabend Kopfballtore waren. Gar nicht auszudenken, wo es hinführen
       würde, wenn Team USA sein physisch-dominantes Spiel mit den Ingredienzien
       des Tikitaka verfeinerte. Dann hätten wir es mit einer imperialen
       Fußballgroßmacht zu tun. Aber so weit muss es ja nicht kommen.
       
       3 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /US-Trainerin-Jill-Ellis/!5608521
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Frauen-WM 2019 
   DIR Frauenfußball
   DIR Frauen-Fußball-WM 2023
   DIR Leichtathletik
   DIR Fußball
   DIR Frauen-WM 2019 
   DIR DFB Team Frauen
   DIR Frauen-WM
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schweden in der Frauen-WM: Mit Momentum und Glück
       
       Schweden ist das Überraschungsteam des Halbfinals. Die in die Jahre
       gekommenen Stars bilden immer noch ein starke Defensive.
       
   DIR WM-Kolumne B-Note: Mehr Mumm und Meinung, bitte!
       
       Wie der DFB aus kritischen Individuen eine Ansammlung von Mauerblümchen
       macht. Dabei kann man auch mit kritischen Geistern erfolgreich sein.
       
   DIR WM-Kolumne Gilet jaune: Ihr mit eurem Fußball
       
       Unser Autor ist zurück aus Frankreich und würde gerne von seinen
       Erfahrungen bei der WM erzählen. Doch niemand will etwas von ihm wissen.