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       # taz.de -- Wahlen in Namibia: 34 Jahre sind genug. Oder?
       
       > Seit 1990 regiert in Namibia die ehemalige Befreiungsbewegung Swapo. Das
       > könnte sich jetzt ändern. Wirtschaftsprobleme dominierten den Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Namibias Vizepräsidentin und Swapo-Präsidentschaftskandidatin Netumbo Nandi-Ndaitwah nach der Abgabe ihrer Stimme
       
       Windhoek taz | Namibia könnte bei den Wahlen, die an diesem Mittwoch
       stattfinden, die erste Präsidentin seiner Geschichte bekommen. Aber dafür
       müsste die ehemalige Befreiungsbewegung [1][Swapo (South West Africa
       People's Organisation)], die das Land seit der Unabhängigkeit von
       Apartheid-Südafrika 1990 regiert, den Trend im südlichen Afrika brechen,
       wonach ehemalige Befreiungsbewegungen bei Wahlen stark verlieren.
       
       Die Wahlen finden knapp neun Monate nach dem [2][Tod von Präsident Hage
       Geingob] während seiner Krebsbehandlung statt. Sein Stellvertreter
       [3][Nangolo Mbumba] übernahm das Amt, dessen reguläre Amtszeit bis März
       2025 läuft. Aber bei den Wahlen tritt er selbst nicht als Präsident an.
       Swapo-Spitzenkandidatin ist [4][Netumbo Nandi-Ndaitwah].
       
       Sie dürfte es schwer haben, denn die Swapo steht unter Druck wie nie zuvor.
       Schon bei den letzten [5][Wahlen 2019] verlor die Regierungspartei erstmals
       ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament und der damalige Präsident Geingob
       rutschte von 86 auf 56 Prozent der Stimmen ab.
       
       Dies wurde der Verwicklung von Regierungsmitgliedern in Korruption und
       Geldwäsche zugeschrieben, etwa dem [6][„Fishrot“-Skandal] um
       Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Fischereilizenzen – der größte
       Skandal in der Geschichte des unabhängigen Namibia.
       
       ## Hohe Jugendarbeitslosigkeit
       
       Heute ist Namibias Jugend eher noch unzufriedener als vor fünf Jahren. In
       dem Land mit 3 Millionen Einwohnern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 20
       Prozent. Die Mehrheit der 1,4 Millionen registrierten Wähler sind
       Jungwähler, die nach der Unabhängigkeit geboren wurden und sich die
       Erinnerungen an den verlustreichen Swapo-Befreiungskrieg nicht zu eigen
       machen.
       
       Im gesamten südlichen Afrika ist zu beobachten, dass die junge Generation
       sich von den alten Befreiern abwendet. [7][In Südafrika] verlor der
       regierende ANC (African National Congress) im Mai seine Mehrheit im
       Parlament, nach 30 Jahren an der Macht. [8][In Botswana] verlor die seit
       der Unabhängigkeit 1966 regierende BDP (Botswana Democratic Party) am 30.
       Oktober die Wahlen haushoch, nach 58 Jahren an der Macht. Mauritius erlebte
       am 10. November einen Erdrutschsieg der Opposition.
       
       [9][In Mosambik] kämpft die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende Frelimo
       (Front for the Liberation of Mozambique) um ihre Legitimität, nachdem die
       Opposition ihr vowirft, ihren Sieg bei den Wahlen vom 9. Oktober gefälscht
       zu haben. Dutzende von Menschen sind seither bei Protesten getötet worden.
       
       „Für Namibia ist das ein Schlüsselmoment“, sagt der politische Analyst
       Petrus Sinimbo. „Entweder bekommt das Land seine erste Frau an der
       Staatsspitze oder die Swapo wird die nächste Befreiungspartei im südlichen
       Afrika, die abgewählt wird. Der Wind des Wandels im südlichen Afrika spart
       Namibia nicht aus.“
       
       ## Die Swapo verspricht neue Arbeitsplätze
       
       Spitzenkandidatin NNN, wie Netumbo Nandi-Ndaitwa allgemein genannt wird,
       verspricht [10][im Wahlkampf], gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen und
       neue Arbeitsplätze zu schaffen – 500.000 in fünf Jahren. Kritiker halten
       dies allerdings für unmöglich, zumal Namibia sich noch nicht von der
       Wirtschaftskrise der Coronapandemie erholt hat und jetzt die schwerste
       Dürre seit 100 Jahren erleidet.
       
       „Wie will sie in fünf Jahren erreichen, was ihre Partei in 34 Jahren nicht
       geschafft hat?“, fragt Paulus Shipanga zurück, nach den NNN-Versprechen
       gefragt. „Das ist unrealistisch, es ist bloß Wahlkampf.“
       
       Unterstützer der Regierungspartei verweisen darauf, dass die Aussichten gut
       sind. Das Wirtschaftswachstum liegt laut IWF bei 3 Prozent und die
       namibische Volkswirtschaft ist mittlerweile immerhin auf ihr Niveau von vor
       der Pandemie zurückgekehrt.
       
       Wichtiger noch: Große Öl- und Gasreserven harren der Ausbeutung, und mit
       dem [11][„Green Hydrogen Project“], unter anderem in Partnerschaft mit
       Deutschland vorangetrieben, will sich Namibia als Vorreiter und Profiteur
       der globalen Energiewende etablieren.
       
       NNN mobilisiert vor allem auf sozialen Medien. „Wir sind zu viele, um zu
       verlieren“, schrieb die Swapo-Spitzenkandidatin. „Wir wollen eine
       Präsidentin, und Nandi ist diese Präsidentin.“ Ihre Hauptkonkurrenten in
       einem Feld von 15 Präsidentschaftskandidaten sind [12][Panduleni Itula] von
       den „Independent Patriots for Change“ (IPC), [13][McHenry Venaani] von der
       großen Oppositionskraft „Popular Democratic Movement“ (PDM) und [14][Henk
       Mudge] von der einst weißen „Republican Party“.
       
       ## Tansania führt SADC-Wahlbeobachtermission
       
       Eine [15][Wahlbeobachtermission der Regionalorganisation SADC (Southern
       African Development Community)] traf vergangene Woche in Namibia ein,
       geführt von der ehemaligen Parlamentspräsidentin von Tansania, Anne Semamba
       Makinda.
       
       SADC wird häufig beschuldigt, bei Wahlen nicht neutral zu sein und sich
       hinter die Regierungsparteien ihrer Mitgliedstaaten zu stellen, auch wenn
       diese Unregelmäßigkeiten begehen. Zuletzt gratulierte der amtierende
       SADC-Vorsitzende, Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa, Mosambiks Frelimo
       zum Wahlsieg, noch bevor die Ergebnisse verkündet waren.
       
       Auch in Namibia schließen manche Beobachter Spannungen nach der Wahl nicht
       aus, sollte es Steit ums Wahlergebnis geben. Doch Tansanias Präsidentin
       Samia Suluhu Hassan, Vorsitzende des SADC-Sicherheitsorgans, setzt auf
       Namibia als bewährter regionaler Vorreiter demokratischer Prinzipien und
       friedlicher Politik. „Wir sind zuversichtlich, dass die Bürger Namibias
       erneut einen vorbildlichen Wahlprozess abliefern werden, der demokratische
       Grundsätze beachtet, sowohl am Wahltag als auch danach“, sagte sie.
       
       27 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://en.wikipedia.org/wiki/SWAPO
   DIR [2] /Namibias-Praesident-ist-tot/!5987072
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Nangolo_Mbumba
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Netumbo_Nandi-Ndaitwah
   DIR [5] /Wahlergebnisse-in-Namibia/!5645982
   DIR [6] /Die-Fishrot-Affaere-in-Namibia/!5699113
   DIR [7] /Suedafrika-braucht-Koalition/!6011614
   DIR [8] /Duma-Boko-ist-Praesident-in-Botswana/!6043961
   DIR [9] /Regierungspartei-siegt-in-Mosambik/!6045108
   DIR [10] https://x.com/VPSWAPO
   DIR [11] /Wasserstoff-aus-Namibia/!5975163
   DIR [12] https://en.wikipedia.org/wiki/Panduleni_Itula
   DIR [13] https://en.wikipedia.org/wiki/McHenry_Venaani
   DIR [14] https://en.wikipedia.org/wiki/Henk_Mudge
   DIR [15] https://www.sadc.int/sites/default/files/2021-07/SEOM_STATEMENT-_NAMIBIA.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alfred Shilongo
   DIR Akani Chauke
       
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