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       # taz.de -- Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Bauen, bauen, bauen
       
       > Beim Thema Wohnraum sind Schleswig-Holsteins Parteien in einem einig: Es
       > muss mehr gebaut werden. Sie sind aber unterschiedlich
       > regulierungsfreudig.
       
   IMG Bild: Ziemlicher Bedarf: Wohnungsbau in Schleswig-Holstein
       
       Hamburg taz | Beim Thema Wohnen sind sich die großen Parteien in
       Schleswig-Holstein in einem Punkt einig: Es müsse mehr gebaut werden, um
       den Anstieg der Mieten zu bremsen. „Bauen, bauen, bauen“ heißt die Devise
       am plakativsten im CDU-Programm für die Landtagswahl am 8. Mai. Dazu
       gehören auch Sozialwohnungen und Eigenheime. Geht es jedoch darum, wie und
       ob der Markt reguliert werden soll, unterscheiden sich die Vorstellungen –
       auch innerhalb der zurzeit regierenden Jamaika-Koalition – erheblich.
       
       Dass der Wohnungsmarkt im Land angespannt ist, davon gehen alle Parteien
       aus. „Schleswig-Holstein schiebt ein Defizit von 100.000 Wohnungen vor sich
       her“, hat Jochen Kiersch vom Deutschen Mieterbund (DMB) vergangene Woche
       vorgerechnet. Zwar gebe es rechnerisch mehr Wohnungen als Haushalte im
       Land, dem stehe jedoch eine große Zahl an Ferienwohnungen gegenüber. Dazu
       müsse eine Umzugsreserve gerechnet werden, Schrottimmobilien und
       Leerstände.
       
       Um das Bauen voranzutreiben, wollen SPD und Grüne einer Forderung Kierschs
       und der Vorsitzenden des DGB Nord, Laura Pooth, nachkommen, eine
       Landesentwicklungsgesellschaft zu gründen, die entweder die Kommunen dabei
       unterstützt, bezahlbare Wohnungen zu bauen oder das gleich selbst tut. Der
       SSW will, dass das die Kommunen übernehmen.
       
       SPD, Grüne und CDU wollen zudem einen Boden- oder Baulandfonds
       bereitstellen, mit dem Kommunen Grundstücke erwerben können. Die FDP setzt
       sich an diesem Punkt nur dafür ein, Bauland unbürokratisch auszuweisen –
       ganz ihrem Generalbass entsprechend: so wenig Regulierung wie möglich.
       
       SPD, CDU, Grüne und FDP versprechen, das Wohneigentum fördern. Dazu soll
       die im Bundesvergleich hohe Grunderwerbsteuer für Familien gemildert
       werden: Wer zum ersten Mal baut oder kauft, soll in Zukunft weniger (SPD,
       FDP) oder gar nichts zahlen (CDU). Die Grünen sprechen sich für einen
       Zuschuss aus.
       
       Für das andere Ende des Einkommensspektrums wollen die in Fraktionsstärke
       im Landtag vertretenen Parteien [1][den sozialen Wohnungsbau stärken]. Nur
       die SPD nennt in ihrem Programm allerdings eine konkrete Zahl: 4.000
       Sozialwohnungen im Jahr. Mindestens 30 Prozent der 100.000 Wohnungen
       müssten gefördert werden, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Andres Tietze
       auf Nachfrage.
       
       Die Lage für schlecht verdienende Mieter ist fatal, weil Jahr für Jahr mehr
       Sozialbindungen wegfallen als nachwachsen. Wie die SPD-Landtagsabgeordnete
       Özlem Ünsal erfragt hat, sind von 2017 bis 2020 zwar 4.000 Sozialwohnungen
       gebaut worden, trotzdem waren es am Ende dieses Zeitraums 2.400 weniger.
       „Marktanspannung und Versorgungsengpässe treffen inzwischen auch mittlere
       Einkommensgruppen hart“, sagte Ünsal der Deutschen Presse-Agentur.
       
       Einen scharfen Gegensatz [2][innerhalb der Jamaika-Koalition] gibt es bei
       der Mietpreisbremse, die Erhöhungen bei Neuvermietungen begrenzt und der
       Kappungsgrenze, die Bestandsmieten dämpft. Beides konnten die Grünen in der
       bestehenden Koalition gegen die FDP nicht durchsetzen. Die SPD ist dafür,
       die CDU hält die Bremse für „Symbolpolitik“, die Wohnungswirtschaft hält
       sie für schädlich.
       
       Eine weitere Frage ist, [3][wie mit den existierenden Wohnungen zu
       verfahren ist]. Die SPD und auch die Grünen wollen die Umwandlung von Miet-
       in Eigentumswohnungen erschweren. Für die FDP ist das ein No-Go.
       
       Die Grünen wollen „die Vermietung von Wohnraum zu touristischen Zwecken
       regulieren“. Die SPD will den Beschäftigten in den Touristengebieten
       stattdessen einen Zuschuss zahlen, damit sie sich das Wohnen auf den Inseln
       und an der Küste leisten können. Der FDP dagegen geht es vor allem darum,
       die Akzeptanz des Tourismus in den Ferienorten zu verbessern.
       
       Die Grünen wollen auch dem Leerstand zu Leibe rücken und festlegen, wie
       lange Wohnungen untervermietet bleiben dürfen. Um die Überwachung
       sicherzustellen, soll den Kommunen nahegelegt werden, Leerstandsabgaben zu
       fordern. Die SPD will leerstehende Gewerbeflächen zum Wohnen nutzen. Die
       CDU schlägt hierzu Flächenmanager vor, die die Objekte an den Mann bringen
       sollen.
       
       ## 60.000 Haushalte mehr bis 2030
       
       Den Zahlen nach ist die Lage der Mieter im Land auf den ersten Blick nicht
       so übel. Laut dem [4][Statistikamt Nord] sind die Mieten von 2015 bis 2021
       nur um knapp acht Prozent gestiegen. Das bildet aber nur den Durchschnitt
       sämtlicher Wohnungen ab: Je nachdem, ob es sich um einen
       Bestandsmietvertrag oder eine Neuvermietung handelt, die Küste oder das
       Binnenland und auch die Art der Wohnung, können die Preise stark davon
       abweichen.
       
       So ist das vom Staat bezahlte Wohngeld ungefähr im gleichen Zeitraum (2015
       bis 2020) um gut zwölf Prozent gestiegen. Neuverträge für kleine Wohnungen
       unter 40 Quadratmeter wurden in den Anzeigen des Internetportals Immowelt
       allein von 2017 bis 2019 um sechs Prozent teurer.
       
       Der Druck könnte in den kommenden Jahren wachsen. Die Landesstatistiker
       schätzen, dass bis zum Ende des Jahrzehnts 60.000 Haushalte hinzukommen
       werden.
       
       28 Apr 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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