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       # taz.de -- Wahlkampf von Kamala Harris: Die Rolle der Running Mates
       
       > Vize- sollen das Profil der Präsidentschaftskandidat*innen ergänzen.
       > Im Amt selbst bleiben manche fast unsichtbar. Andere prägen die
       > Weltpolitik.
       
   IMG Bild: Kamala Harris mit ihrem „Running Mate“ Tim Walz
       
       Berlin taz | US-amerikanische Vizepräsident*innen sind eine besondere
       politische Spezies. Ausgewählt werden sie, um etwa nach aufreibenden
       parteiinternen Vorwahlen die unterlegene Seite mit ins Boot zu holen. Oder
       es geht einfach darum, eine Eigenschaft mit auf dem Ticket zu haben, über
       die der oder die Kandidatin nicht verfügt.
       
       Der alte Donald Trump aus New York holt den jungen [1][J. D. Vance aus
       Ohio]. Der alte weiße Joe Biden holte 2020 die deutlich jüngere und
       weibliche „African and-Asian- American“-Senatorin Kamala Harris, die ihn
       während der Vorwahlen scharf angegriffen hatte. Und jetzt holt eben jene
       Kamala Harris aus Kalifornien den [2][weißen bodenständigen progressiven
       Macher Tim Walz] aus Minnesota.
       
       Dieses Spiel mit den Komplementärkräften zielt eigentlich nur auf den
       Wahlkampf ab. Dabei kann es für die Nummer zwei im Staate auch um deutlich
       mehr gehen: John F. Kennedys Vizepräsident Lyndon B. Johnson wurde nur
       wenige Stunden, nachdem Kennedy am 22. November 1963 erschossen worden war,
       als neuer Präsident vereidigt.
       
       Und wäre Joe Biden im Amt geblieben, wäre es wahrscheinlich gewesen, dass –
       ob seines Alters – Vizepräsidentin Kamala Harris eines Tages hätte spontan
       aufrücken müssen.
       
       Die Verfassung sieht für Vizepräsident*innen genau zwei Funktionen
       vor: Sofort den Präsidenten zu ersetzen, wenn das notwendig wird – und als
       Chef des Senats bei einer 50:50-Situation mit ihrer Stimme den Ausschlag zu
       geben. Dennoch übernehmen manche viel mehr Aufgaben.
       
       Joe Biden etwa kümmerte sich unter Obama um viel internationale Diplomatie,
       [3][Dick Cheney war der eigentliche Architekt von George W. Bushs Kriegen],
       Bill Clintons Vizepräsident Al Gore musste nur mit First Lady Hillary
       Clinton um die Rolle des wichtigsten Präsidentenberaters konkurrieren.
       Ronald Reagans Vizepräsident George H. W. Bush führte in Reagans Auftrag
       ein paar Task Forces an, blieb aber ansonsten profillos gegen den
       charismatischen Reagan.
       
       ## Tim Walz schadet kaum
       
       Von Kamala Harris war in den vergangenen dreieinhalb Jahren herzlich wenig
       zu sehen und zu hören. Und welche Rolle Walz, sollte das Duo im November
       gewählt werden, in einer Harris-Administration ausfüllen soll, ist derzeit
       noch völlig offen.
       
       Ein Vizepräsidentschaftskandidat gibt selten den Ausschlag für den Erfolg
       des Duos – ruft der oder die Running Mate aber zu viel Misstrauen hervor,
       kann das zur Niederlage beitragen. Als der moderate republikanische
       Kandidat John McCain etwa 2008 ausgerechnet die schrille Gouverneurin von
       Alaska, [4][Sarah Palin], zu seiner Vizekandidatin erklärte, schadete ihm
       das nachhaltig – auch wenn er womöglich gegen den damals jungen,
       charismatischen Barack Obama ohnehin keine Chance gehabt hätte.
       
       Tim Walz schadet kaum. Dass die Republikaner*innen das Duo als
       „linksradikal“ charakterisieren, ist herzlich egal – das wäre mit Kamala
       Harris an der Spitze immer passiert, egal, wer ihr Vize wäre. Aber wer das
       glaubt, wählt ohnehin Trump, und wer das vorhatte, wird jetzt nicht
       umschwenken.
       
       Die Wahl aber wird sich daran entscheiden, wer das eigene
       Wähler*innenpotenzial, wie es 2020 in nie gekannten Rekordzahlen an die
       Urnen geströmt ist, am besten mobilisieren kann – und dabei kann Tim Walz
       helfen.
       
       Es ist leicht, ihn zu mögen, die Aura des Football-Coaches schafft
       Vertrauen, und die Sprache der weißen Arbeiter*innenschaft, die auch J.
       D. Vance zu sprechen vorgibt, spricht auch Walz – nur ohne Abschluss an
       einer Eliteuniversität und daher womöglich glaubwürdiger.
       
       Die Punkte, für die er von der Gegenseite angegriffen wird, sind auch klar:
       Der als viel zu lax angesehene Umgang mit den zeitweise sehr gewalttätigen
       Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung in Minnesota nach dem [5][Tod
       George Floyds 2020] und die Tatsache, dass in Minnesota auch papierlose
       Migrant*innen einen Führerschein bekommen können, womöglich auch sein
       Einsatz für die LGBTQ*-Rechte, das Abtreibungsrecht und für
       Waffenkontrollgesetze in Minnesota.
       
       Das sind aber alles Punkte, die innerhalb der demokratischen
       Wähler*innenschaft sehr konsensfähig sind oder sogar starkes Engagement
       auslösen. Wenn es um die Mobilisierung der eigenen Wähler*innen geht,
       könnte Walz also eine gute Wahl sein. Ob er auch ein guter Vizepräsident
       wäre, müsste sich erst noch zeigen.
       
       7 Aug 2024
       
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