URI: 
       # taz.de -- Warnstreik bei der Frankfurter Rundschau: Es geht um die Zukunft
       
       > Die Löhne bei der „Frankfurter Rundschau“ sind zu niedrig: Mitarbeitende
       > streikten. Doch die Geschäftsführung zeigt sich uneinsichtig.
       
   IMG Bild: Die „Frankfurter Rundschau“ teilt sich das Redaktions-Gebäude mit der „Frankfurter Neuen Presse“
       
       „Aufgrund eines Warnstreiks in unserer Redaktion erscheint die Zeitung mit
       verminderter Aktualität und Seitenzahl“, schrieb die Belegschaft der
       [1][Frankfurter Rundschau (FR)] in die Samstagsausgabe der Zeitung. Über
       die Hälfte der Mitarbeitenden legte am vergangenen Freitag für bessere
       Arbeitsbedingungen und einen Tarifvertrag ihre Arbeit nieder.
       
       Am Streik beteiligten sich knapp 50 der insgesamt 85 Beschäftigten, davon
       30 vor Ort. Sie versammelten sich vor dem Redaktionsgebäude und zogen in
       einem Protestmarsch zum Gewerkschaftshaus des DGB. Unterstützt von den
       Gewerkschaften Verdi und [2][DJV] wollen sie die Arbeitgeber zu
       Verhandlungen bewegen.
       
       „Wir haben es vorher mit anderen Mitteln versucht, aber die
       Geschäftsführung redet mit uns nicht über Gehaltserhöhungen“, erklärt ein
       Redaktionsmitglied der taz. Erst am Freitagmorgen wurde der Streik
       angekündigt. Die Chefredaktion der Zeitung brachte daraufhin eine
       Notausgabe heraus.
       
       Vorausgegangen war ein Brief des Aktivenausschusses der FR im September an
       den Geschäftsführer der Mediengruppe Frankfurt, Max Rempel, sowie an die
       Zeitungsgruppenverleger. Die FR gehört zu 90 Prozent zur Zeitungsholding
       Hessen (ZHH), die wiederum gehört zur Ippen Verlagsgruppe und zu 20 Prozent
       der Mittelhessischen Druck- und Verlagsgesellschaft.
       
       Die Mitglieder des Ausschusses forderten im Brief einen einheitlichen
       Tarifvertrag. Es sei untragbar, dass aktuell einige Kolleg*innen mit
       alten Verträgen Flächentarif bekommen, während andere bis zu 1.500 Euro
       unter dem Tarif bezahlt werden, so ein Redaktionsmitglied. Die Folge:
       Viele, vor allem junge Redakteur*innen, können sich das Leben im
       Rhein-Main-Gebiet nicht leisten und verlassen die Zeitung.
       
       Der Geschäftsführer Rempel [3][äußerte sich am Freitag in der FR]. Ein
       Warnstreik sei „unverständlich und kontraproduktiv“. Er vermisse das
       Bewusstsein in der Belegschaft, dass Gehälter erwirtschaftet werden müssen.
       In seiner Stellungnahme rechnet Rempel vor, dass die Gehälter seit Mitte
       2022 um etwa 13 bis 17 Prozent erhöht worden seien.
       
       ## Selbstausbeutung für guten Journalismus
       
       Das reiche nicht aus, kritisieren Beschäftigte. Die Geschäftsführung und
       die Gesellschafter würden zudem nicht transparent machen, wie viel sie mit
       der FR überhaupt verdienen. Stattdessen werde behauptet, die Beschäftigten
       besser zu bezahlen, würde die Zeitung wirtschaftlich ruinieren. „Wir geben
       uns nicht damit zufrieden, wenn wir die Zahlen nicht wenigstens gesehen
       haben“, sagt ein Redaktionsmitglied dazu. „Wir sind immer noch
       Journalisten.“
       
       Der Streik ist für die Belegschaft aber nicht nur ein Kampf für faire
       Löhne, sondern auch einer für die Zukunft der Zeitung und einen
       Journalismus mit Haltung. „Die FR wird bundesweit wegen ihrer guten
       Geschichten zitiert. Viele davon kommen durch Selbstausbeutung zustande.
       Wir möchten diesen Journalismus weitermachen, aber zu fairen Bedingungen“,
       erklärten die Streikenden gegenüber der taz. Auch der
       Regionalgeschäftsführer des Gewerkschaftsbundes DGB, Philipp Jacks, betonte
       am Freitag: „Ihr kämpft für eine bessere Welt für alle.“
       
       Nach dem Streik stehe die Belegschaft unter immensem Druck, teilte ein
       Redaktionsmitglied der taz mit. Bereits im Vorfeld des Streiks hätten die
       Geschäftsführung und die Gesellschafter mit Arbeitsverlust und sogar einer
       Zerschlagung der Zeitung gedroht, heißt es aus der Belegschaft. Wenn sich
       der Geschäftsführer aber in der kommenden Woche weigert, in Verhandlung zu
       treten, werden weitere Streiks folgen, gaben die Mitarbeitenden bekannt.
       Der Geschäftsführer Rempel ließ eine Anfrage der taz mit dem Verweis, dass
       sich die FR extern nicht zu diesem Thema äußere, unbeantwortet.
       
       3 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tarifstreit-Frankfurter-Rundschau/!5950992
   DIR [2] /Pressefreiheit-in-der-Tuerkei/!5950516
   DIR [3] https://www.fr.de/wirtschaft/warnstreik-bei-der-frankfurter-rundschau-92706782.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
       ## TAGS
       
   DIR Journalismus
   DIR Frankfurter Rundschau
   DIR Streik
   DIR Ausbeutung
   DIR Streik
   DIR Journalismus
   DIR Frankfurter Rundschau
   DIR Lokaljournalismus
   DIR Tarifvertrag
   DIR Madsack
   DIR Axel Springer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Streik bei NDR, WDR und SWR: Kurzfristiger Arbeitskampf
       
       NDR-Moderatorin Inka Schneider wurde am Dienstag von einem Streik
       überrascht. Die Beschäftigten von NDR, WDR und SWR fordern mehr Lohn.
       
   DIR Entlassungen bei „Frankfurter Rundschau“: Ein Kompromiss
       
       Die „Frankfurter Rundschau“ hatte nach einem Streik drei JournalistInnen
       entlassen, zwei klagten. Nun gab es eine außergerichtliche Einigung.
       
   DIR Tarifstreit bei „FR“: Drei treffen, alle meinen
       
       Nach einem Warnstreik bei der „Frankfurter Rundschau“ wurden am Donnerstag
       drei junge Beschäftigte entlassen. Verdi spricht von „Union Busting“.
       
   DIR Umbau der „Neuen Westfälischen“: Eine Zeitung stirbt langsam
       
       Ab April will die „Neue Westfälische“ kaum noch eigene überregionale
       Inhalte produzieren. Die Pressevielfalt in Deutschland leidet weiter.
       
   DIR Tarifstreit „Frankfurter Rundschau“: „Frankfurter Rundschau“ ohne Tarif
       
       Verdi und DJV fordern eine Rückkehr zum Tarifvertrag bei der „Frankfurter
       Rundschau“. Deren Besitzer will davon nichts hören und agiert
       intransparent.
       
   DIR Zeitungsanzeigen der AfD: Ärger mit Parteiwerbung
       
       Die Frankfurter Rundschau und Madsack-Titel haben AfD-Anzeigen gedruckt.
       Während erstere in Zukunft verzichten wollen, sehen letztere kein Problem.
       
   DIR Dirk Ippen und der Springer-Verlag: Fehlende Weitsicht
       
       Warum hat der Verleger Dirk Ippen die Recherche zu Julian Reichelt in
       seinen Zeitungen verhindert? Seine Antworten an die taz.