URI: 
       # taz.de -- Wasserversorgung in Bolivien: Kampf ohne Sieger
       
       > Cochabamba in Bolivien wurde durch erfolgreiche Proteste gegen die
       > Wasserprivatisierung berühmt. 20 Jahre später fließt es noch immer nicht
       > überall.
       
       Ausgerechnet der Regen trieb Irma Medrano Ugarte in die Stadt mit dem
       chronischen Wasserproblem. In ihrem Dorf baute sie Kartoffeln, Bohnen,
       Mais, Zwiebeln, Karotten an. Schafe und Kühe grasten am Fluss. Ganze
       Lastwagenladungen Gemüse verkaufte ihre Familie damals in die Stadt,
       erzählt sie. Dann wurde der Regen immer weniger – und kam schließlich mit
       Gewalt. Ein Fluss aus Schlamm zerstörte alles. Was er nicht mitriss,
       verschüttete er. Deshalb zog Irma Medrano vor 25 Jahren nach Cochabamba.
       
       Heute ist sie 58 Jahre alt. Ein Strohhut schützt sie gegen die stechende
       Sonne auf 2.500 Metern Höhe. Dass sie vom Land kommt, sieht man ihr an: Sie
       trägt bunte Röcke, lange schwarze Zöpfe und die typischen unverwüstlichen
       schwarzen Sandalen aus alten Autoreifen. Ein Bein ist etwas kürzer als das
       andere. Wenn sie lächelt, leuchten nicht nur die Augen in ihrem gebräunten
       Gesicht, sondern auch ein paar vergoldete Zähne. Ihre Muttersprache ist das
       indigene Quechua. Ihre kräftigen Hände und Arme zeugen von einem Leben von
       harter Arbeit. Sie hat [1][viele Eimer Wasser geschleppt].
       
       Der Name Cochabamba kommt aus dem Quechua und bedeutet „Ebene mit See“.
       Lange war das fruchtbare Tal die Kornkammer von Bolivien und versorgte vor
       allem die Bergbauregion Potosí mit Gemüse. Als die staatlichen
       Bergbaubetriebe schlossen, zogen Zehntausende aus den Minen nach
       Cochabamba.
       
       Heute ist Cochabamba eine geteilte Stadt. Während der Trockenzeit sieht sie
       beim ersten Blick aus dem Flugzeug aus, als sei sie auf dem Mars gebaut,
       auf einer rotbraunen, staubigen Ebene zu Füßen einer Bergkette. Aus der
       Nähe erst zeigen sich die Farben. Der Norden ist deutlich grüner. Dort sind
       die meisten Haushalte an das Netz des städtischen Wasserversorgers Semapa
       angeschlossen. Im Süden, der Zona Sur, nicht. Mindestens 300.000 Menschen
       dort müssen schauen, wie sie zu Wasser kommen.
       
       ## Wasser kommt, wenn der Tankwagen kommt
       
       Irma Medrano lebt im Süden, im Viertel San Antonio de Buena Vista. Als sie
       vor 25 Jahren hierher zog, wohnten um sie herum etwa 50 Menschen, erinnert
       sie sich. Sie wollte wie früher Kartoffeln, Mais, Bohnen und Zwiebeln
       pflanzen. „Aber das ging nicht. Es war kein Wasser da und die Erde war sehr
       hart.“ Bis zur Pandemie hatte sie einen kleinen Laden in ihrem Haus. Jetzt
       verkauft sie warmes Essen und Süßigkeiten an einem Stand auf der Straße.
       
       Ihr Haus hat sie nach und nach um einen kleinen Hof selbst gebaut. In
       dessen Mitte befindet sich der Wasserhahn. Jeden zweiten Tag kommt daraus
       morgens für ein paar Stunden Wasser. Wenn Irma Medrano morgens zum Markt
       geht, um einzukaufen, müssen ihre beiden Enkel – sie sind 13 und 9 Jahre
       alt und leben bei der Großmutter, weil ihre Mutter tot ist – den Hahn
       aufdrehen und alle Tonnen und Eimer füllen. Eimer stapeln sich im Zimmer
       zur Straße, das die Küche ist. Hühner und Hunde marschieren ein und aus.
       Wenn Irma Medrano die Wäsche im Hof geschrubbt hat, leitet eine Rinne es
       zur Tonne, aus der sie Wasser zum Spülen der Toilette am anderen Ende des
       Hofs schöpft. Die Tonne riecht faulig. Der Toiletteninhalt landet in der
       Sickergrube.
       
       Als Irma Medrano in die Zona Sur zog, gab es dort weder Wasser noch Strom.
       Das Wasser holte sie vom Fluss. Sie kippte Gips hinein, um es zu klären.
       Später fuhren Tankwagen täglich hupend durch die Viertel. „Wenn wir sie
       hörten, liefen wir ihnen nach und riefen aguadero, aguadero!“, erinnert sie
       sich: Mit Schläuchen füllten die Leute ihre Wassertonnen daheim.
       
       Aber vor 14 Jahren bauten die Menschen aus dem Viertel oben auf dem Berg
       einen Wassertank – mit Unterstützung des Rotary Clubs und Geld aus den
       Niederlanden, erzählt ein Mitglied der Wasservereinigung des Viertels. Von
       dem Tank führen Leitungen zu den Häusern. Den Gemeinschaftstank füllen zwei
       Mal täglich Tankwagen. Etwa 500 Familien bekommen seitdem Wasser nach
       Hause, zumindest stundenweise.
       
       Wasser bedeutet in Bolivien Macht – und die mobilisiert. Im Jahr 2000
       schrieb Cochabamba international Schlagzeilen wegen des sogenannten
       Wasserkrieges. Eine soziale Bewegung formierte sich gegen die
       Privatisierung des städtischen Wasser- und Abwasserbetriebs Semapa, worauf
       die Weltbank als Bedingung für einen Schuldenerlass für Bolivien gedrängt
       hatte. Der neue Betreiber war ein internationales Konsortium, das unter
       dubiosen Umständen die Ausschreibung gewonnen hatte. Es plante
       Preiserhöhungen zwischen 30 und 300 Prozent. Noch mehr Empörung verursachte
       eine Klausel im Vertrag, mit der auch die gemeinschaftlichen Wassersysteme
       faktisch an die Firma übergegangen wären – vor allem die
       Bewässerungssysteme im ländlichen Umland.
       
       Ein gewisser [2][Evo Morales, damals Anführer der mitdemonstrierenden
       Koka-Bauern] aus der Nachbarprovinz Chapare, legte durch seine Mitwirkung
       beim Protest den Grundstein für seine politische Karriere. Als er 2005
       Präsident Boliviens wurde, erkannte er offiziell das Recht auf Wasser und
       das traditionelle Nutzungs- und Gewohnheitsrecht an. Semapa blieb. Es
       entstanden Institutionen mit Mechanismen zur Teilhabe und sozialen
       Kontrolle.
       
       Doch bis heute sind Hunderttausende im Süden von Cochabamba nicht ans
       städtische Wassernetz angeschlossen. Warum nicht? 2010 schrieben Oscar
       Olivera und andere Anführer der Proteste in Cochabamba einen enttäuschten
       [3][offenen Brief an Morales]. Der aktuelle Geschäftsführer von Semapa
       verschiebt das Interview mit der taz mehrfach und antwortet schließlich
       nicht mehr. Sein Vorgänger Gamal Serhan, der 2018 als Geschäftsführer
       zurücktrat, äußert sich: „Weil kein Netz gebaut wurde, da es kein Wasser
       gab.“ Es habe auch Probleme mit dem damaligen Bürgermeister gegeben, der
       gleichzeitig Semapa-Vorstandschef war. Der sei [4][wegen Korruption]
       angezeigt worden.
       
       Das Unternehmen Semapa klagte später Serhan selbst an, wegen [5][Korruption
       und Mauscheleien] bei der Auftragsvergabe von Zählern. Der Prozess
       versandete.
       
       Serhan sagt, er habe sich bei der Gewerkschaft unbeliebt gemacht, weil er
       [6][„intelligente“ Wasserzähler] einführen wollte. Die alten ermöglichten
       den Mitarbeitern Betrug: „Sie erließen den Leuten einen Teil des
       Wasserpreises und steckten sich den Rest selbst in die Tasche.“ Er wollte
       zudem ein neues Tarifsystem durchsetzen, das den Preis am Verbrauch und
       nicht wie bisher am Aussehen des Hauses festgemacht hätte. „Deshalb habe
       ich mich mit der Wasser- und Abwasserbehörde AAPS gestritten.“
       
       Das Ergebnis: Weiterhin haben Hunderttausende von Menschen kein fließendes
       Wasser – und weiterhin werden gut [7][55 Prozent des gelieferten Wassers]
       nicht berechnet und bezahlt, so die aktuellsten Angaben von Semapa. Es
       fehlt am Netz, und am Wasser.
       
       Der langgezogene Park Parque Fidel Anze im Norden von Cochabamba könnte so
       idyllisch sein. Bäume spenden Kühlung, ein Rasensprenger tut seinen Dienst,
       gepflegt gekleidete Nachbarn führen Hunde aus. Auf der Straße drumherum
       fahren ständig Tankwagen an und ab. Sie stehen an den Mauern von
       einstöckigen Gebäuden, während von oben per Schlauch Liter um Liter Wasser
       hineinschießt. Hier [8][sprudelt das Wasser], das vom Norden der Stadt in
       den Süden geliefert wird.
       
       Das ist auch das Geschäft von Adela Molina, eine zierliche Frau hinter
       einem der Metalltore. 50 Meter unter ihrem Haus gibt es Wasser. „Ich
       wusste, dass es Wasser gab, weil es bis an die Oberfläche kam. Bevor wir
       bauten, stand es hier.“ Sie brüllt gegen die Pumpen an, die im Vorhof rund
       um die Uhr arbeiten. „Das schädigt das Gehör. Aber mein Schlafzimmer geht
       nach hinten raus, da höre ich nichts.“ Nachts pumpen sie Wasser aus dem
       Boden in den Tank, tagsüber vom Tank in die Tankwagen, die es nach Süden
       bringen. Durch Schächte im Hof sind Rohre zu sehen, in mehreren Farben und
       unterschiedlich dick. Wasser rauscht.
       
       Erst entnahm die Familie das Wasser nur für den Eigenbedarf. Seit 2016
       verkauft sie Wasser an Tankwagen, sieben Tage die Woche. „Wir brauchten
       damals keine Erlaubnis für den Brunnen, weil der Nachbar von gegenüber
       schon einen hatte, die Nachbarin nebenan, hier kamen überall Tankwagen“,
       sagt Molina.
       
       Reich wird sie damit nicht. Am Computer schreibt sie zur Abrechnung die
       Nummernschilder der Tanklaster auf, die die Kamera vor dem Haus ihr zeigt.
       30 Bolivianos, etwa 3,60 Euro, bekommt sie für eine Tankladung von 14.000
       Litern. „Wir wollen den Menschen in der Zona Sur damit helfen.“ Dort, im
       Süden, ist das Wasser rund sechzehnmal so teuer: Für eine
       Wassertonnenfüllung von 200 Litern zahlt man dort 7 Bolivianos. Außerdem
       liefert Molina an eine Trinkwasserfabrik.
       
       7.000 Bolivianos, umgerechnet 844 Euro, zahlt Adela Molina jeden Monat für
       den Strom, der ihre Pumpen antreibt. Zudem stottert sie noch etwa fünf
       Jahre den Kredit für die Anfangsinvestitionen in Höhe von 40.000 Dollar ab.
       Den zu bekommen, sei einfach gewesen. „Für die Bank ist das ein sicheres
       Geschäft.“ Steuern müsse sie keine zahlen, weil sie der Zona Sur einen
       wichtigen Dienst leiste.
       
       Dank des Wassers hätten alle Kinder studieren können, sagt Molina. Mehrere
       arbeiten haupt- oder nebenberuflich heute mit Wasser: Ein Sohn hat einen
       Tankwagen, die Tochter betreibt eine Trinkwasserfabrik, der andere Sohn
       hilft ihr neben seiner Arbeit bei der Stadt mit der Verwaltung.
       
       ## „Es hat sich nichts geändert“
       
       Wie viel Wasser unter ihrem Haus ist, weiß Molina nicht. Der Boden unter
       Cochabamba ähnelt wegen der vielen selbstgebohrten Brunnen einem Schweizer
       Käse. Im Jahr 2013 gab es [9][laut einer Untersuchung] 1.500 Brunnen in der
       Metropolregion Cochabamba, die meisten in der Zona Sur. Doch aktuelle
       verlässliche Zahlen gibt es nicht.
       
       Ebenfalls unbekannt ist, wie viel Grundwasser aktuell noch unter der Stadt
       übrig ist. Immer mehr Boden wird versiegelt. An den rund 70 Regentagen im
       Jahr fallen nur zwischen 400 und 500 Millimeter Regen. Laut Carmen Ledo von
       der Universidad Mayor de San Simón ist bereits fast die Hälfte der
       Grundwasserleiterfläche von Cochabamba überbaut – der informelle
       Grundstückmarkt ist extrem spekulativ, Besitzverhältnisse sind oft dubios
       und Politiker betreiben Wahlkampfkosmetik wie Asphaltieren von
       Hauptstraßen, ohne vorher Kanäle für Wasser und Abwasser zu verlegen. Der
       jährliche Flächenfraß dürfte mittlerweile bei 23.000 Hektar liegen, sagt
       Ledo.
       
       In den Armenvierteln der Zona Sur verbrauchen die Menschen durchschnittlich
       20 Liter am Tag – etwa ein Zwölftel des Pro-Kopf-Verbrauchs vom Norden.
       Aber sie zahlen für den Liter Wasser ein Vielfaches. Der Kampf gegen die
       Wasserprivatisierung habe den Armen nichts gebracht, bilanziert Ledo
       nüchtern: „Die Menschen im Süden haben dafür gekämpft, damit die im Norden
       nicht mehr als bisher zahlen müssen. Das Resultat ist, dass sie 20 Jahre
       später immer noch kein Wasser haben. Es hat sich nichts geändert.“
       
       Die gemeinschaftlichen Notlösungen seien hochgradig intransparent und
       anfällig für Korruption und Misswirtschaft. Sie verlangen von den
       Nutzer*innen zusätzlich zur monatlichen Gebühr in der Regel eine
       Beteiligung an den Baukosten und Arbeitseinsätze. Carmen Ledo hat 60
       Systeme in der Zona Sur analysiert. Die Einnahmen werden in der Regel nicht
       auf einem Bankkonto deponiert, sondern bei den Chefs zu Hause – wenn sie
       sich nicht gleich damit aus dem Staub machen. Es gibt weder Abrechnung noch
       Kontrolle.
       
       Bei den Menschen selbst, im Viertel von Irma Medrano, ist darüber wenig in
       Erfahrung zu bringen. Die meisten wollen nicht mit der Presse sprechen und
       verweisen selbst bei einfachsten Fragen auf die Führung ihrer
       Wasservereinigung. Der Mann aus dem Direktorium der Wasservereinigung, der
       stolz den Gemeinschaftstank zeigt, will für Detailfragen den Kontakt des
       Präsidenten weitergeben. Der macht ihn durchs Telefon brüllend zur
       Schnecke, weil er mit der Presse spricht. Zum Interview kommt es nicht.
       Eckdaten zum Tank behandelt er, als handle es sich um den Zugangscode für
       Atomwaffen.
       
       Die Menschen zahlen für das Wasser nicht nur mit überteuerten Preisen,
       sondern auch mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Ein Großteil der mit
       mühsam gesammeltem Gemeinschaftsgeld gebohrten Brunnen in der Zona Sur
       liefert heute nur noch versalzenes oder kontaminiertes Wasser. Falsch
       gebohrte Brunnen und lecke Sickergruben schädigen das Grundwasser.
       Unabhängige Kontrollen der alternativen Wasseranbieter gibt es nicht. Wer
       sein Wasser zum Testen ins Labor schickt, macht das freiwillig.
       
       Die Lebenserwartung im Süden von Cochabamba ist rund 35 Jahre niedriger als
       im Norden der Stadt, hat Carmen Ledo berechnet. Die Kindersterblichkeit ist
       etwa doppelt so hoch. Ein wichtiger Faktor sind die schweren
       Durchfallerkrankungen, die mit der mangelhaften Wasserqualität zu tun
       haben. Die Bedingungen im Süden der Stadt sind damit ähnlich schlecht wie
       in Haiti, sagt Ledo. Ihr Rat: „Immer Frauen in die Führungsebene, weil sie
       [10][am meisten Wasser benutzen]!“ Vereinigungen mit Präsidentinnen würden
       eher das Wasser chloren und untersuchen lassen. „Die Männer schicken es nie
       ins Labor.“
       
       Selbst im Norden kann man das Wasser aus der Leitung nicht trinken, sagt
       die Journalistin Lorena Amurrio. Semapa bezieht sein Wasser von außerhalb
       der Stadt. Doch auch die städtische [11][Mülldeponie Kara Kara] ist seit
       Jahrzehnten eine tickende Zeitbombe und [12][verschmutzt das Wasser]. Die
       Müllabfuhr erreicht zudem nur einen Teil der 841.000 Einwohner*innen
       von Cochabamba.
       
       Semapas veraltete Kläranlage Albarrancho, die gerade erweitert wird, leitet
       seit Jahren einen Großteil des [13][Abwassers ungereinigt in den Fluss].
       Bauern gießen mit dem kontaminierten Flusswasser [14][ihre Felder]. Auch
       viele Betriebe, darunter Gerbereien, leiten ihr Wasser direkt [15][in den
       Río Rocha]. In der Trockenzeit ist das stinkende Ergebnis zur Morgenstunde
       schon im Landeanflug zu riechen.
       
       „Semapa schwört zwar, dass das aufbereitete Wasser alle Trinkwassernormen
       erfüllt. Aber alte Leitungen und Tanks können es anschließend
       verschmutzen,“ sagt Amurrio. Wasser kann trüb werden oder stinken, wenn die
       Leute ihre [16][Tanks nicht richtig reinigen]. Amurrio erinnert sich an
       einen Fall, wo das Wasser auf einmal schwarz aus dem Hahn kam: Der Frau war
       beim Reinigen des Tanks ein Vogel hineingeflogen und darin gestorben. Und
       Tanks haben in Cochabamba alle Menschen, weil niemand in der Stadt 24
       Stunden am Tag Wasser aus der Leitung bekommt, sondern nur alle paar Tage.
       
       ## Staudamm mit Verzögerung
       
       Die Lösung für den Wassermangel im Tal von Cochabamba liegt auf fast 3.800
       Metern Höhe jenseits der Bergkette: Der [17][Staudamm Misicuni] mit einer
       Kapazität von 175 Millionen Kubikmetern Wasser, die er dem gleichnamigen
       Amazonas-Zufluss abzwackt. Nach einigen Verzögerungen und massiven
       Kostensteigerungen ist er 2020 fertig geworden und hat [18][146 Millionen
       Dollar gekostet], bezahlt vom Staat. Er soll Trinkwasser,
       Bewässerungswasser und dank des Wasserkraftwerks Strom liefern.
       
       Sein Potenzial nutzt er aber bisher kaum aus. Die dazugehörige
       Wasseraufbereitungsanlage wartet seit 2020 auf den Betrieb. Denn die
       Leitungen in die Gemeinden sind nicht fertig. Diese müssten die Gemeinden
       finanzieren, weil sie nicht zum Projekt Misicuni gehören. Jede Leitung
       verläuft durch mehrere Gemeinden. Nach jahrelangem Streit, wer wie viel
       zahlen soll, entschied die Zentralregierung schließlich vor etwa vier
       Jahren, einzuspringen. Doch nach wie vor wird das überschüssige Wasser
       derzeit zurück in den Fluss geleitet.
       
       Die dritte Bauphase des Staudamms steht noch aus. In ihr soll noch aus zwei
       weiteren Flüssen Wasser für den Stausee abgezweigt werden. Damit würden
       insgesamt 6.000 Liter pro Sekunde zur Verfügung stehen – 4.000 Liter zum
       Trinken, 2.000 Liter zur Bewässerung. Genug, um die wachsende Bevölkerung
       im Cochabamba-Tal langfristig zu versorgen, sagt Misicuni-Geschäftsführer
       Leonardo Anaya: „Aber dafür muss ich noch 140 Millionen Dollar auftreiben –
       und wenn ich morgen anfange, bin ich in fünf Jahren fertig.“
       
       Derzeit könnten 3.000 Liter pro Sekunde fließen, davon zwei Drittel für
       Trinkwasser, der Rest zur Bewässerung. Tatsächlich werden nur 720 Liter
       genutzt: Semapa bekommt 600 Liter in seine Trinkwasseraufbereitungsanlaga
       Cala Cala geliefert, 120 Liter bekommen vom Bau des Wasserkraftwerks
       betroffene Gemeinden als Ausgleich.
       
       Drei Hauptleitungen fehlen noch. Als nächstes soll die zur Nachbarstadt
       Sacaba fertig werden. Für die vierte, die ländliche Gemeinden mit
       Bewässerungswasser versorgen soll, steht noch nicht einmal die
       Finanzierung. Die Leitung zur Zona Sur ist erst zur Hälfte fertig. Nach
       bisherigem Plan dauert es noch zwei bis drei Jahre.
       
       So träumt Irma Medrano weiter davon, an einem Ort zu leben, wo es 24
       Stunden am Tag fließendes Wasser gibt. „Wenn es Wasser gibt, können wir
       Obst und Gemüse pflanzen. Aber hier gibt es keins. Es ist nicht mehr wie
       früher. Manchmal kommt nur noch Hagel, Kälte oder Wind. Kein Regen.“
       
       5 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Weltweite-Versorgung/!5792421
   DIR [2] /Proteste-und-Morales-Sturz-in-Bolivien/!5638564
   DIR [3] https://www.narconews.com/Issue67/articulo4292.html
   DIR [4] https://www.mdpi.com/2073-4441/11/7/1455
   DIR [5] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20200121/semapa-espera-audiencia-cautelar-serhan
   DIR [6] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20180411/salida-serhan-silencio-alertan-crisis-semapa
   DIR [7] http://semapa.gob.bo/resources/media/semapa_boletin/Rendicion%20de%20Cuentas%20Inicial%202021.pdf
   DIR [8] /Zerstoerte-Schutzgebiete-in-Kolumbien/!5723085
   DIR [9] http://www.ceplag.umss.edu.bo/admin/imagenes/libros/El%20agua%20nuestra%20de%20cada%20dia%202013%20-%20protegido.pdf
   DIR [10] /Trockenheit-in-Indien/!5788280
   DIR [11] https://www.ejatlas.org/print/contaminacion-por-el-botadero-kara-kara-bolivia
   DIR [12] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20210405/contrato-colina-puede-frenar-cierre-del-botadero-kara-kara
   DIR [13] /Wasserversorgung-in-Addis-Abeba/!5796599
   DIR [14] https://www.lostiempos.com/actualidad/local/20130720/semapa-modernizara-planta-albarrancho
   DIR [15] https://www.opinion.com.bo/articulo/cochabamba/planta-albarrancho-ha-sido-superada-capacidad/20081107201153296545.html
   DIR [16] https://www.pressreader.com/bolivia/los-tiempos/20180322/281530816561508
   DIR [17] https://www.misicuni.gob.bo/preguntas-frecuentes/
   DIR [18] https://www.paginasiete.bo/sociedad/2021/1/25/solo-13-del-agua-de-misicuni-se-aprovecha-para-consumo-humano-282208.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
   DIR Bolivien
   DIR Evo Morales
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR GNS
   DIR IG
   DIR Bergbau
   DIR Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
   DIR Landwirtschaft
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Boliviens Exportschlager Gold: Bergbau mitten im Schutzgebiet
       
       Mit schweren Geräten und Einsatz von giftigem Quecksilber: Konzerne
       schürfen im bolivianischen Madidi-Park Gold – dabei ist es ein
       Schutzgebiet.
       
   DIR Consulting in der Entwicklungsarbeit: Geschäft mit dem Wasser
       
       Aus dem deutschen Staatshaushalt fließen Milliardensummen in die
       Wasserversorgung des globalen Südens. Viel landet auf Konten deutscher
       Beraterfirmen.
       
   DIR Wasserprojekte in Bolivien: Verwundbare Wundergurke
       
       Bewässerungsprojekte haben das Leben von Bauernfamilien im bolivianischen
       Torotoro verbessert. Doch nun stehen sie vor neuen Problemen.
       
   DIR Feuerwehr in Uganda: Zu spät und ohne Wasser im Tank?
       
       Ugandas Feuerwehr hat einen schlechten Ruf. Bei Einsätzen kämpft sie mit
       defekten Hydranten. Nun sollen deutsche Löschfahrzeuge Abhilfe schaffen.
       
   DIR Grünflächen in Bolivien: Ein Garten Eden für Cochabamba
       
       Milton Copa setzt sich für mehr Grün in der Stadt ein. Dafür greift er auf
       wassersparende Pflanzen zurück – und auf seine Inspiration aus Japan.
       
   DIR Weltweite Versorgung: Wie Trinkwasser den Alltag bestimmt
       
       Nicht überall kommt sauberes Wasser einfach aus dem Hahn. Videos aus fünf
       Ländern zeigen die Mühen, die meist Frauen schultern müssen.
       
   DIR Craft Beer in Kolumbien: „Unser Bier hat Magie“
       
       Für Kolumbiens Indigene ist die Sierra Nevada de Santa Marta das „Herz der
       Erde“. Heute entsteht hier aus Quellwasser Bier. Zu Besuch in einer
       besonderen Brauerei.