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       # taz.de -- Wegen möglicher Formfehler: BSW wiederholt Wahlen im Hamburger Landesverband
       
       > Der Hamburger BSW-Landesverband wählt alle Gremien neu, um
       > „Rechtssicherheit“ zu schaffen. Stellt das die Kandidatur zur
       > Bürgerschaftswahl infrage?
       
   IMG Bild: Möchte die Wahl des Landesvorstands wiederholen: Der Co-Vorsitzende des BSW-Landesverbands Konstantin Eulenburg
       
       Hamburg taz | Die sogenannten Partei-Rebellen hätten ein ganz schöne
       „Klatsche“ erhalten, jubelte manch Parteigänger, nachdem Hamburgs
       Landeswahlleiter Oliver Rudolf am Tag vor Silvester das „Bündnis Sahra
       Wagenknecht“ (BSW) zur [1][Bürgerschaftswahl am 2. März zu]gelassen hatte.
       Rudolf hatte Anfechtungen, die wegen der Umstände der
       [2][Kandidatenaufstellung am 21. Dezember] bei ihm eingegangen waren, als
       unbeachtlich eingestuft. Doch nun laden BSW-Bundes- und Landesvorstand
       selbst für den kommenden Samstag zu einer Parteiversammlung ein, um die
       Wahl der parteiinternen Gremien des erst wenige Tage alten Landesverbands
       zu wiederholen.
       
       „Wir wollen den Landesvorstand, die Rechnungsprüfer und das
       Landessschiedsgericht neu wählen, damit eine eventuell vorhandene
       Rechtsunsicherheit uns in den Wochen des Wahlkampfes nicht im Wege steht“,
       heißt es in der Einladung, die sowohl von Sarah Wagenknecht und dem übrigen
       Bundesvorstand als auch von den Landesvorsitzenden Jochen Brack und
       Konstantin Eulenburg unterschrieben ist. Auf die Partei warteten große
       Chancen, Politik zu gestalten. Sowohl zum Bundestag als auch zur
       Bürgerschaftswahl wolle man in Hamburg kandidieren. „Dafür brauchen wir
       jetzt Rechtssicherheit.“
       
       Die Versammlung findet wie schon die vorige im Bürgersaal Wandsbek statt.
       Geplant ist, dort dann am Samstagnachmittag, in einer
       „Aufstellungsversammlung“ die begehrten Listenplätze für die Bundestagswahl
       zu besetzen. Laut Einladung sind zu beiden Events nur Parteimitglieder und
       Gäste zugelassen. Die Presse darf nur bei den „Begrüßungsreden“ am
       Nachmittag lauschen und muss dann den Saal verlassen.
       
       Dejan Lazić, der zusammen [3][mit Norbert Weber] in den vergangenen Wochen
       [4][als interner BSW-Kritiker bekannt] geworden ist, sieht seine Bedenken
       durch die jüngste Entwicklung bestätigt. „Wenn der gesamte Vorstand neu
       gewählt wird, stellt das faktisch eine Neugründung des Landesverbands
       Hamburg dar“, sagt der Jurist. „Damit wäre dann auch die Aufstellung der 14
       Kandidaten für die Bürgerschaftswahl nicht gültig.“
       
       ## Chaos bei der ersten Versammlung
       
       Wie berichtet war die Versammlung vom 21. Dezember chaotisch verlaufen. Es
       gab mehrere Hausverbote, für deren Durchsetzung in einem Fall die Polizei
       gerufen wurde. Zwei der davon Betroffenen wurden als Kandidaten
       vorgeschlagen und durften schließlich in den Saal zurückkehren, um dort zu
       sprechen.
       
       Lazić hatte später die Gründung des Verbands und die Listenaufstellung beim
       Landeswahlleiter Oliver Rudolf angefochten. Unter anderem, weil beide
       Versammlungen mit Amid Rabieh von einem externen Parteimitglied aus
       Nordrhein-Westfalen geleitet wurden und nicht von einem Hamburger
       BSW-Mitglied. Der stellvertretende Bundesvorsitzende habe am Nachmittag bei
       der Aufstellungsversammlung einfach die Leitung übernommen, ohne von der
       Versammlung erneut gewählt zu sein. Das verstoße gegen die – auch auf
       Landesebene anzuwendende – BSW-eigene Wahlordnung, die regelt, dass
       Mitglieder des Präsidiums „aus der Mitte des Parteitags“ gewählt werden.
       
       Zudem besage das Gesetz zur Hamburger Bürgerschaftswahl, dass die bei so
       einer Kandidatenkür teilnehmenden Personen in der Stadt auch wahlberechtigt
       sein müssten. Das sei bei Rabieh nicht der Fall.
       
       Landeswahlleiter Rudolf erklärte dazu, dies sei „unbeachtlich“, weil das
       Bürgerschaftswahlgesetz nur verlange, dass die Abstimmenden wahlberechtigt
       sind, nicht aber die Person, die die Versammlung leitet. Ferner hätten zwei
       Vertrauenspersonen – Konstantin Eulenburg und die Bundestagsabgeordnete
       Žaklin Nastić – Eidesstattliche Versicherungen abgegeben, wonach alles
       ordnungsgemäß abgelaufen sei. Der Landeswahlausschuss schloss sich Rudolfs
       Empfehlung, das BSW zuzulassen, an. „Das ist ein großer Erfolg. Unsere
       Mühen haben sich gelohnt“, hatte sich der Co-Landesvorsitzende Eulenburg
       daraufhin gefreut. „Wir gehen jetzt mit viel Zuversicht und Geschlossenheit
       in den Wahlkampf.“
       
       Nun haben Lazić und sein Mitstreiter Norbert Weber aber zusätzlich am 2.
       Januar bei der Bundesschiedskammer des BSW die Wahlen der Gründungs- und
       Aufstellungsversammlung angefochten. Sie nennen insgesamt sechs Gründe
       dafür, darunter auch die Diskriminierung von Kandidierenden durch
       Hausverbot und Polizeieinsatz. Sie fordern die Einhaltung der Wahlordnung
       des BSW und die Wiederholung der Gründungs- und Aufstellungsversammlung vom
       21. Dezember. Wird so eine Anfechtung von den partei-eigenen Gerichten
       abgelehnt, bleibt noch der Gang zum Zivilgericht.
       
       Die Einladung zur Wiederholungsversammlung kam wenige Stunden später. Ist
       also womöglich hier etwas zwar nach Hamburger Gesetzen noch legal – aber
       laut eigener BSW-Wahlordnung angreifbar? Ein BSW-Sprecher ist um
       Klarstellung bemüht: „Die Gründung des Landesverbands wird nicht
       wiederholt. Es geht lediglich darum, einige Wahlgänge zu wiederholen, um
       etwaige Unsicherheiten zu beseitigen.“ Und da man in der Frage nur
       95-prozentig und nicht hundertprozentig sicher sei, werde die Versammlung
       diesmal ein Hamburger Mitglied leiten.
       
       Im Parteienrecht, so der Sprecher weiter, gebe es „zahlreiche juristische
       Grauzonen“, die nicht ausgeurteilt seien. „Vor diesem Hintergrund und mit
       Blick auf die Bundestagswahl haben wir uns für die sichere Variante
       entschieden.“ Es würden nun „punktuell“ Wahlgänge wiederholt, Fehler seien
       aber keine gemacht worden. Und auch die Frage, ob dieser Vorgang
       Auswirkungen auf die am 21. Dezember aufgestellte Liste mit ihren 14
       Kandidaten zur Bürgerschaftswahl habe, diese etwa sogar zurückgezogen wird,
       heißt die Antwort des BSW-Sprechers „nein“.
       
       Landeswahlleiter Rudolf hatte am 30. Dezember im Landeswahlausschuss
       gesagt, er sehe bei der Zulassung des BSW kein erhöhtes Risiko einer
       späteren Wahlanfechtung. Am Wochenende war er nicht zu erreichen. Lazić
       schätzt die Sache anders ein: „Sollte der Landesparteitag, bei dem die
       Kandidaten aufgestellt wurden, erfolgreich angefochten werden, könnte
       rückwirkend auch die Bürgerschaftswahl am 2. März angefochten werden.“
       
       Das hat es in einem etwas anders gelagerten Fall [5][1993 schon mal]
       gegeben. Damals gab das Hamburgische Verfassungsgericht dem Antrag eines
       CDU-Parteirebellen auf Wahlwiederholung statt, weil die
       Kandidatenaufstellung bei den Christdemokraten gegen Wahlrechtsgrundsätze
       verstoßen hatte. Und die staatlichen Zulassungsinstanzen, so [6][damals die
       Richter], hätten das nicht ausreichend geprüft.
       
       Anmerkung der Redaktion: Nach Erscheinen dieses Textes teilte die
       BSW-Pressestelle mit, dass die Aufstellungsversammlung am 11. Januar doch
       medienöffentlich sein wird. Außerdem haben wir die Begründung präzisiert,
       mit der Dejan Lazić die Gründung des Verbands und die Listenaufstellung
       angefochten hat.
       
       5 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht-in-Hamburg/!6059379
   DIR [2] /Landesverband-gegruendet--schon-wieder/!6058135
   DIR [3] /Partei-Querelen-in-Hamburg/!6054318
   DIR [4] /BSW-beknatscht-sich-in-Hamburg/!6055064
   DIR [5] /!1617924/
   DIR [6] https://strate.net/de/publikationen/Eine-Entscheidung-mit-Donnerhall.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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