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       # taz.de -- Weihnachtsserie „Verzicht“: „Ich möchte Zeit statt Zeug“
       
       > Nadine Schubert lebt seit sieben Jahren plastikfrei. Verzichten muss sie
       > auf nichts, sagt die Bloggerin und Buchautorin.
       
   IMG Bild: Spielzeug ja, Verpackungen nein? Auch so lässt sich die Plastikfrage beantworten
       
       Frau Schubert, Sie bloggen und schreiben über ein Leben ohne Plastik.
       Hautcreme, Spülmittel, Suppenwürze – alles machen Sie selbst. Klingt
       anstrengend… 
       
       Nadine Schubert: Ist es aber nicht. Ich mache vor allem die Dinge selber,
       die mich mehr Zeit kosten würden, wenn ich sie einkaufe. Wenn ich zum
       Beispiel mein Waschmittel zusammen rühre, geht das viel schneller, als wenn
       ich losfahre und mich im Supermarkt dafür an der Kasse anstelle.
       
       Konsumieren Sie selbst insgesamt weniger, seit sie auf Plastik verzichten? 
       
       Ja, unser Konsumverhalten hat sich insgesamt sehr verändert. 2013 habe ich
       angefangen, ohne Plastik zu leben; inzwischen kaufe ich nur noch faire und
       ökologische Kleidung, habe erst auf vegetarische, dann auf vegane Ernährung
       umgestellt und kaufe vor allem regional. Dabei spreche ich aber nicht gerne
       von Verzicht. Mit Verzicht verbinden Leute etwas, das ihnen fehlt. Für mich
       ist plastikfrei leben und bewusst konsumieren eher ein Verweigern von
       allem, was man meint, mir vor die Nase setzen zu dürfen. Ich gebe nur noch
       denen das Geld, denen ich es wirklich geben möchte.
       
       Leben sie so billiger? 
       
       Letztlich schon. Auch, weil wir nicht mehr ständig dazu verführt werden,
       Mist zu kaufen. Das heißt nicht, dass wir uns nichts Schönes gönnen. ‚Zeit
       statt Zeug‘ ist das Stichwort. Ich gehe lieber gut essen oder mache Urlaub,
       statt mir jedes Jahr eine neue Winterjacke zu kaufen.
       
       Finden Sie jedes Plastik böse, oder machen Sie Ausnahmen? [1][Auf ihrem
       Blog] kann man eine Tasche aus Recycling-Plastik gewinnen… 
       
       Meine Kinder haben auch Playmobil und Lego, und mein Staubsauger ist aus
       Plastik. Das sind Dinge, die wir lange Nutzen. Der Rucksack aus meinem Blog
       kann ein Lebensbegleiter werden. Ich will zwar nicht, dass jetzt alle Leute
       einen Rucksack kaufen – aber wenn jemand einen braucht, soll er einen
       nehmen, der fair und ökologisch produziert wurde.
       
       Bekommen Verbraucher genug Informationen, um gute von schlechten Produkten
       unterscheiden zu können? [2][Oft sind Plastiksubstitute – etwa Glas oder
       Pappe – nicht besser], sondern schlechter als Plastik… 
       
       Beim Papier stimmt das. Wir produzieren mehr Papier- als Plastikmüll, Pappe
       und Papier für Verpackungen sind kein guter Ersatz für Plastik. Und es ist
       immer wichtig, egal ob bei Klo-, Drucker- oder Geschenkpapier, auf
       Recyclingmaterial zu achten. Da muss man das bessere Produkt kaufen. Glas
       allerdings ist ein anderer Fall. Es ist immer nachhaltiger, als Plastik,
       wenn es nicht mehr als 200 Kilometer zurücklegen musste. Bei uns in Bayern
       gibt es zum Glück noch viele Molkereien oder Brauereien; so kann man
       regionale Getränke im Glas kaufen. Viele Verpackungen im Gelben Sack, etwa
       aus Tetrapack, werden nicht recycelt. Glas wird fast zu 100 Prozent
       recycelt, und Pfandgläser können wieder und wieder befüllt werden.
       Ausgewaschen werden sie übrigens mit Wasser und Soda, also umweltschonend.
       Ich informiere mich ständig über Alternativen zum Plastik, ihre Vor- und
       Nachteile. Ich werde auch oft danach gefragt.
       
       Sollte man nicht besser die wirklichen Brocken der Ökosünden angehen – und
       auf Flugreisen oder das Auto verzichten? 
       
       Ja, schon. Geflogen bin ich selbst 2011 das letzte Mal, aber auf mein Auto
       kann ich nicht verzichten. Ich lebe auf dem Land, bei uns fährt zweimal am
       Tag der Schulbus. Da geht es ohne Auto nicht. Es ist aber jeder Schritt
       wichtig. Den Demonstranten von Fridays for Future ist auch vorgeworfen
       worden, dass sie hinterher zu Mc Donalds gehen. Na und? Bei vielen waren
       die Demos sicher der Einstieg, über ihr Konsumverhalten nachzudenken. Das
       ist doch gut.
       
       Und jetzt, der Praxisteil. Zunächst: Plastikfrei leben für Einsteiger.
       Worauf kann man am leichtesten verzichten? 
       
       Auf [3][viele Verpackungen, die mit Lebensmitteln ins Haus kommen]. Obst
       und Gemüse, Wurst- und Käse, das kann ich alles auch im Supermarkt
       unverpackt und mit eigenen Dosen einkaufen. Selbst in Drogerien gibt es
       inzwischen Seife zum Duschen und Haarewaschen, dafür brauche ich keine
       Plastikflaschen.
       
       Ein Rezept für Fortgeschrittene? 
       
       Selbstgemachter Frischkäse. Sie kaufen einen Joghurt im Glas, lassen ihn
       über Nacht mit einem Sieb und einem Küchentuch abtropfen und haben am
       morgen leckeren, streichfähigen Frischkäse im Glas. Wenn's zu warm in der
       Küche ist, stellen sie ihn in den Kühlschrank. Den Frischkäse kann man
       würzen, mit Frühlingszwiebeln oder Kräutern, er hält eine Woche und
       verursacht keinen Müll.
       
       Welches Ding aus Plastik ärgert sie ständig, weil sie nicht darauf
       verzichten können? 
       
       Ich ärgere mich über kaum etwas. Ich habe zum Beispiel eine Klobürste aus
       Plastik, weil ich die aus Holz monatlich erneuern müsste. Das ist auch
       nicht nachhaltig. Und ich kann oder will auch nicht auf Omas verzichten,
       obwohl sie ständig Plastik ins Haus bringen, mit Gummibärchen oder
       Spielzeug. Man darf sich auch nicht verrückt machen, es muss alles angenehm
       und machbar bleiben.
       
       26 Dec 2019
       
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