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       # taz.de -- Welthandelskonferenz in Buenos Aires: Die Angst vor dem Seattle-Effekt
       
       > Freihandel sei kein Wert an sich, meinen Kritiker vor dem WTO-Treffen in
       > Argentinien. Die Regierung reagiert misstrauisch.
       
   IMG Bild: Argentinien macht es vor: Proteste gegen Arbeitsmarktreformen am 7. Dezember 2017
       
       Buenos Aires taz | Seattle 1999 soll sich in Buenos Aires nicht
       wiederholen. Damals gab es massive Proteste während der damaligen
       Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die zum
       Gründungsmythos der aktuellen Globalisierungskritik gehören. Die
       argentinische Regierung will mit der am Sonntag beginnenden 11.
       Ministerkonferenz der WTO stattdessen den Beweis liefern, dass sie auch den
       im kommenden Jahr anstehenden G20-Gipfel im eigenen Land sicher
       organisieren kann.
       
       Doch das politische Klima im sommerlichen Buenos Aires ist aufgeheizt. Am
       Mittwoch waren rund 80.000 Menschen durch die Innenstadt gezogen und hatten
       gegen eine von Präsident Mauricio Macri geplante Liberalisierung und
       Flexibilisierung des Arbeitsrechts protestiert.
       
       „Macri will zeigen, dass er die Forderungen von IWF und WTO erfüllt,
       zulasten der Arbeitenden“, rief einer der Redner während der
       Abschlussveranstaltung vor dem Präsidentenpalast.
       
       Wenn am Sonntag die Konferenz offiziell beginnt, dann werden auch die
       „Madres de Plaza de Mayo“ dabei sein und ihren donnerstäglichen
       Widerstandsmarsch auf acht Stunden ausdehnen, um gegen die Zusammenkunft zu
       demonstriert. Die „Mütter des Platzes der Mairevolution“ setzten sich
       ursprünglich dafür ein, das Schicksal ihrer während der Militärdiktatur von
       1976 bis 1983 verschwundenen Kinder aufzuklären – heute kämpfen sie für
       Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit.
       
       ## Hart umkämpfter Gegengipfel
       
       Am Sonntag werden zudem Tausende zum Festival „Fuera OMC – por los Derechos
       y la Vida“ (WTO raus – für mehr Rechte und das Leben) vor dem
       Kongressgebäude erwartet, das zugleich der Auftakt für den am Montag
       beginnenden dreitägigen Gegengipfel ist.
       
       Zur Planung hat sich ein breites Spektrum aus linken, sozialen,
       ökologischen, indigenen und gewerkschaftlichen Gruppierungen
       zusammengefunden. Zu den Themen Arbeit, Gesundheitssouveränität, Feminismus
       und Freihandel, Gemeingüter und Klimagerechtigkeit werden die aus aller
       Welt Anreisenden ihre Alternativen vorstellen und diskutieren.
       
       Wer kommen darf und wer nicht, ist noch immer unklar. Die argentinischen
       Sicherheitsbehörden haben rund 60 VertreterInnen von
       Nichtregierungsorganisationen die bereits von der WTO erfolgten
       Akkreditierungen nachträglich verweigern und damit die Möglichkeit einer
       Einreiseverweigerung geschaffen.
       
       Der belgische Außenminister Didier Reynders bestätigte am Mittwoch, dass
       die argentinischen Behörden mehrere Vertreter aus Belgien, Deutschland,
       Finnland und den Niederland nicht einreisen lassen wollen. Darunter befinde
       sich auch der Vertreter von Oxfam Deutschland. Dagegen hat die Regierung
       Ernst-Christoph Stolper vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)
       Deutschland die Akkreditierung inzwischen bewilligt.
       
       Als einer der Ersten war einer Vertreterin von Attac France die Einreise am
       internationalen Flughafen von Buenos Aires in Ezeiza verweigert worden.
       Erst als sich die französische Botschaft einschaltete, konnte die Frau die
       Grenzkontrollen passieren. Ähnliche Erfahrungen machte die Delegation vom
       Brazilian Network for People’s Integration trotz bewilligter
       Akkreditierungen. „Man wollte uns schlicht zurückschicken“, so ein
       Delegationsvertreter.
       
       Die argentinische Regierung begründet die Maßnahmen mit
       Sicherheitsbedenken, nennt aber keine Details. Für das argentinische
       Instituto del Mundo del Trabajo der Universität Untref beweist das, dass
       sie lediglich kritische Stimmen von der Konferenz ausschließen will.
       Auffällig sei, dass sich viele der ausgeschlossenen NGOs für die Belange
       von Entwicklungsländern, für Ernährungssicherheit und gegen den Einfluss
       von Großkonzernen auf die Konferenz einsetzten.
       
       8 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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