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       # taz.de -- Weltmeister im Brazilian Jiu-Jitsu: „Wie Schach, nur spannender“
       
       > Linus von Schrenk ist neuer Weltmeister im Brazilian Jiu-Jitsu. Er
       > spricht über seine Faszination für den Kampfsport und die Perspektiven
       > als Profi.
       
   IMG Bild: Die Ästhetik des Kampfsports: BJJ-Kämpfer Roberto Francisco Jimenez und Roosevelt Sousa bei der WM 2023
       
       taz: Linus, was sagst du, wenn du von alten Freunden gefragt wirst, was du
       an einem Sonntag kurz vor Weihnachten in Las Vegas gemacht hast? 
       
       Linus von Schrenk: Ich sage, dass ich bei der Jiu-Jitsu-Weltmeisterschaft
       war. Und dass ich dort Weltmeister wurde.
       
       taz: Staunen da viele, bewundern dich viele?
       
       Schrenk: Nein, die meisten Leute, mit denen ich zu tun habe, wissen ja, was
       ich mache.
       
       taz: Bist du Profi?
       
       Schrenk: Ja und nein. Ja, insofern ich fürs Kämpfen Geld bekomme und auch
       insofern ich professionell trainiere, lebe, mich auf die Turniere
       vorbereite. Aber nein, wenn man es so versteht, dass ich davon leben
       könnte.
       
       taz: Willst du da hin?
       
       Schrenk: Ja. Es kommt darauf an, wie man sich vermarktet. Es gibt viele
       Menschen, die Brazilian Jiu-Jitsu für sich betreiben. Da geht vieles mit
       Tutorials auf Social Media und anderen Kanälen. So kann man Geld verdienen.
       
       taz: Du bist Weltmeister im [1][Brazilian Jiu-Jitsu,] abgekürzt BJJ. Das
       musst du erklären.
       
       Schrenk: Brazilian Jiu-Jitsu ist zunächst mal ein Marketingbegriff, um es
       in den USA bekannter zu machen. Die Geschichte geht so: Ein Japaner war
       nach Brasilien gekommen und hatte dort Judo und Jiu-Jitsu gelehrt. Auch die
       brasilianische Familie Gracie, die bis heute im Kampfsport eine wichtige
       Rolle spielt, lernte bei ihm. Sie entwickelten aus dem, was sie gelernt
       hatten, ein eigenes Regelwerk. Das ist wichtig, damit aus einer Kampfkunst
       Kampfsport wird. So kann es dann BJJ-Wettkämpfe geben.
       
       taz: Welchen WM-Titel genau hast du dir erkämpft?
       
       Schrenk: Es gibt im Jiu-Jitsu verschiedene Kategorien: Gi, da wird im
       Kimono gekämpft, und No Gi ohne Kimono. Das ist eine Unterscheidung, die du
       dir vorstellen kannst wie im Ringen: griechisch-römisch und Freistil.
       Unterschiedliche Ausprägungen, aber beides ist Ringen. Dann gibt es
       verschiedene Gürtel, und es gibt verschiedene Gewichtsklassen.
       
       taz: Und du bist?
       
       Schrenk: Schwergewichtsweltmeister im Brazilian Jiu-Jitsu im lila Gürtel.
       
       taz: Auch [2][Mixed Martial Arts] (MMA) hat ja verschiedene
       [3][Kampfkünste] aufgenommen und integriert. Sind MMA und BJJ ähnlich?
       
       Schrenk: Bei uns darf nicht geschlagen und nicht getreten werden. Das ist
       der Hauptunterschied. Ein paar mehr Unterschiede gibt es auch noch. Es gibt
       aber sehr verschiedene Regelwerke, das ist kaum reguliert. Es gibt auch
       viele verschiedene BJJ-Verbände.
       
       taz: In den USA ist BJJ populär. Wie zeigt sich das?
       
       Schrenk: Ein Beispiel: Neulich gab es ein Turnier, da konnte der Sieger
       eine Million Dollar gewinnen.
       
       taz: Wie kommt das?
       
       Schrenk: In Amerika hat ja die [4][UFC] eine große Bedeutung, Ultimate
       Fighting Championship, eine Profitournee vor allem für MMA. Dort ist die
       brasilianische Gracie-Familie aktiv, und zur UFC gehören mittlerweile auch
       BJJ-Wettkämpfe.
       
       taz: MMA ist ja dabei, dem klassischen Profiboxen den Rang abzulaufen.
       Kannst du dir das auch für BJJ vorstellen?
       
       Schrenk: Dass BJJ populärer wird, da bin ich mir sehr sicher. Es ist eine
       sehr effiziente Form zu kämpfen, sie hat Potenzial. Dass BJJ bedeutender
       als MMA und Boxen wird, glaube ich eher nicht. Die beiden sind einfacher
       strukturiert, da ist mehr erlaubt, da kann man k. o. gehen – all das macht
       es vermutlich populärer.
       
       taz: Wie kommt man als Berliner Junge zum BJJ?
       
       Schrenk: Zuerst habe ich Fußball gespielt. Mit zwölf Jahren habe ich
       [5][„Rocky“] geguckt und wollte boxen. Aber meine Eltern wollten nicht,
       dass ich haue und gehauen werde. Dann habe ich Sachen von der UFC gesehen
       und wusste: So etwas will ich machen. Ich habe mich in Berlin umgeguckt und
       etwas gefunden.
       
       taz: Es gibt das Ressentiment, Kampfsport fände in einem halbseidenen
       Milieu statt, irgendwo zwischen Zuhältern und Nazis. Nun ist deine Mutter
       Journalistin, dein Vater ist Zeitungsgestalter, mit beiden bin ich
       befreundet – um endlich mal zu erklären, warum wir uns duzen. Bist du eine
       Ausnahme in deinem Sport? Oder ist das Vorurteil falsch?
       
       Schrenk: Das Vorurteil ist Quatsch. Bei uns sind ganz normale Leute, alle
       Schichten, alle Herkünfte. Bei uns ist ein Polizist und ein Ex-Krimineller,
       alle. Natürlich gilt, dass gewisse Vereine bestimmte Klientelen anziehen.
       Aber mehr gilt nicht.
       
       taz: Was fasziniert dich an BJJ?
       
       Schrenk: Es ist sehr facettenreich. Es gibt unglaublich viele Techniken. In
       diesem Sport ist es unmöglich auszulernen. Ich verstehe ihn als eine Art
       menschliches Schach: Man muss die Reaktionen des Gegners antizipieren, sie
       berechnen. Mit der körperlichen Komponente ist es spannender als Schach.
       
       taz: Du bist jetzt 20 Jahre alt, bist gerade erstmals Weltmeister in der
       offenen Klasse geworden. Ist das der Zeitpunkt, dass mit der BJJ-Karriere
       durchstarten willst?
       
       Schrenk: Definitiv.
       
       taz: Geht das hierzulande?
       
       Schrenk: Ich kann mir gut vorstellen, in den USA zu leben.
       
       27 Dec 2024
       
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