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       # taz.de -- Weltnaturerbefonds der Bundesregierung: Menschen, Tiere und Millionen
       
       > Der Weltnaturerbefonds der Bundesregierung soll den Artenschutz
       > revolutionieren. Private Spender haben großen Einfluss auf das Projekt.
       
   IMG Bild: Badender Elefant im Fluss Lekoli auf dem Gebiet des Odzala-Kokoua Nationalparks, Republik Kongo
       
       Berlin taz | Jochen Flasbarth ist mit einer Millionenzusage nach Montreal
       geflogen. Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche
       Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kündigte am Rande der
       Weltnaturkonferenz am Donnerstag an: Deutschland will 2023 weitere 30
       Millionen Euro in einen Fonds stecken, um die Artenvielfalt mithilfe von
       Schutzgebieten zu erhalten. Das sei ein wichtiges Signal, sagt Flasbarth,
       „denn der Fonds mobilisiert Geld, das dringend benötigt wird“. Zuvor hatte
       der Bund schon 182,5 Millionen Euro dafür bereitgestellt.
       
       Das ambitionierte Ziel der Konferenz: Es soll festgeschrieben werden, dass
       bis 2030 weltweit 30 Prozent aller Flächen als Naturschutzgebiete
       ausgewiesen werden. Ein Ansatz, der umstritten ist. Am vergangenen Samstag
       demonstrierten in Montreal Indigene mit einem Banner: „Wir sind eins mit
       der Natur.“ Sie forderten, dass Menschenrechte beim Artenschutz nicht
       vergessen werden.
       
       Legacy Landscapes Fund, kurz LLF, heißt der nun aufgestockte Fonds. Zu
       Deutsch: Weltnaturerbefonds. Ziel ist es, bis 2030 einen Kapitalstock von
       rund 1 Milliarde US-Dollar aufzubauen, womit weltweit 30 Schutzgebiete
       grundfinanziert werden sollen – in Entwicklungs- und Schwellenländern, weil
       sich dort zwar rund drei Viertel der artenreichsten Gebiete befinden,
       bislang aber wenig Geld in den Naturschutz fließt. Für die Bundesregierung
       ist der LLF ein Leuchtturmprojekt. Aber ist das Ganze wirklich so
       vorbildlich?
       
       ## Vorlieben privater Geldgeber:innen
       
       Der taz liegen interne Unterlagen aus dem BMZ vor, E-Mails, Protokolle und
       Präsentationen, die die Nichtregierungsorganisation Survival International
       mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erlangt hat. Aus diesen
       Dokumenten geht hervor, dass das Leuchtturmprojekt Schattenseiten hat: Die
       Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung rund um die Naturschutzgebiete
       spielte bei der Gründung des Fonds kaum eine Rolle. Kritische Stimmen
       wurden überhört. Bemerkenswert ist vor allem, dass den Vorlieben privater
       Geldgeber:innen ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt wird.
       
       Der „intellektuelle Vater“ des LLF, so wird er intern genannt, ist Christof
       Schenck. Der 60-Jährige hat einst über Riesenotter in Peru promoviert und
       ist heute Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die
       weltweit Schutzgebiete unterstützt. Im Januar 2018 stellt er im BMZ ein
       Konzept für den Weltnaturerbefonds vor. Die Idee: Artenschutzprojekte
       sollen langfristig finanziert werden. Bislang gibt es eine Förderung meist
       für drei oder vier Jahre, so kann nur schwer eine funktionierende
       Verwaltung aufgebaut werden. Der Weltnaturerbefonds sieht pro Park und Jahr
       1 Million Euro vor – und das möglichst für die Ewigkeit. Um das zu stemmen,
       sollen neben dem Bund als wichtigem Geldgeber andere Länder und vor allem
       Philanthrop:innen gewonnen werden. Superreiche, die der Welt etwas
       Gutes tun wollen.
       
       ## Kritik wird ignoriert
       
       Mit Kritik wurden die Macher:innen früh konfrontiert. Im März 2018 lädt
       die Zoologische Gesellschaft Frankfurt zu einem Workshop nach Washington
       ein. Neben dem BMZ und der Förderbank KfW sind auch Mitarbeitende von NGOs
       und Stiftungen vertreten. Nach dem Treffen rät ein Teilnehmer, den Rahmen
       des Naturerbefonds zu weiten, um Artenverlust auch außerhalb der
       Schutzgebiete zu stoppen. Schenck wiegelt schnell ab. In einer Mail an
       seine „Mitstreiter“ aus BMZ und KfW argumentiert er: „Der Ansatz hat nicht
       den Anspruch, die Welt zu retten, sondern einen wichtigen Bestandteil,
       nämlich global herausragende Schutzgebiete, zu stabilisieren.“ Die Anregung
       eines Biodiversitätsexperten aus Afrika, nicht nur Parks mit sehr hohen
       Artenschutzstandards auszuwählen, wird später vom BMZ-Verantwortlichen
       ebenso beiseite gewischt.
       
       Kurz nach dem Besuch in Washington wird das Project Preparation Team
       eingerichtet und durch die KfW im Mai 2018 eine Machbarkeitsstudie
       beauftragt, Kostenplan: 554.000 Euro. Aber das Ergebnis dieser Studie wird
       nicht abgewartet.
       
       ## Schutzgebiete als Festung
       
       Menschenrechtsorganisationen wie Survival International und Amnesty schauen
       kritisch auf diesen Naturschutzansatz, sie befürchten eine „Fortress
       Conservation“. Schutzgebiete mehr oder minder als Festung zu betrachten,
       dahinter steht der Glaube, dass ein Ökosystem am besten geschützt werden
       kann, wenn Menschen möglichst draußen bleiben. Als Folge wurden und werden
       Menschen, die in den Schutzgebieten leben, von Ranger:innen vertrieben
       und ihrer Lebensgrundlage beraubt.
       
       Die krassesten Fälle [1][gab es in Zentralafrika], [2][wo unter anderem vom
       WWF finanzierte militante Gruppen Menschen gefoltert, vergewaltigt und
       sogar getötet haben sollen]. Deutschland gebe weiter „keinen Pfifferling
       auf die Rechte indigener Völker“, kritisiert Fiore Longo von Survival
       International. Das BMZ betont, dass bei dem Projekt „hohe Menschenrechts-
       und Umweltstandards“ gelten.
       
       Grundsätzlich macht sich das BMZ viele Gedanken um die Außenwirkung des
       Fonds. „Der LLF soll nicht als eine vom Norden angetriebene Initiative
       wahrgenommen werden“, wird im Dezember 2019 protokolliert. „Wie könnte der
       globale Süden eingebunden werden?“
       
       Aber wichtiger ist es offenbar erst einmal, Philanthrop:innen von dem
       Projekt zu überzeugen. Potenzielle Geldgeber:innen und Partner-NGOs
       werden im Herbst 2019 ins BMZ eingeladen, vom WWF bis zur Leonardo DiCaprio
       Foundation. Auch in den USA wird nach engagierten Superreichen gesucht. Es
       gebe Vorlieben bei den Fördergebieten, notiert eine BMZ-Mitarbeiterin. Nach
       diesen müsse man sich wohl richten, sonst würden die Leute nicht zahlen.
       Ihr Geld wird aber gebraucht. Das Konzept sieht vor, dass alle Gebiete je
       zu einem Drittel privat finanziert werden.
       
       Kann es ein sinnvolles Kriterium sein, dass bei dem einen das Herz mehr für
       den Tiger auf Sumatra schlägt und bei der anderen für den
       Weißwangenklammeraffen im Amazonas? Die vorgesehene Auswahl nach objektiven
       Kriterien wird jedenfalls vertagt. Was die BMZ-Frau auch erwähnt: Die
       Einbindung der Partnerländer sei bislang noch nicht erfolgt. Spätestens
       wenn die Pilotschutzgebiete festgelegt seien, müsse das geschehen, sonst
       könne es zum „Vorwurf einer ‚kolonialistischen Herangehensweise‘“ kommen.
       
       ## Soziale Konfliktrisiken
       
       Anfang Mai 2020, gut eineinhalb Jahre später als geplant, liegt die
       Machbarkeitsstudie der KfW vor. Mit dem Team wird aber nur eine
       Stellungnahme der KfW geteilt. „Bei der Umsetzung vor Ort bestehen
       vielfältige soziale Konfliktrisiken“, heißt es darin. „Im Kontext der
       Schutzgebietsüberwachung und der Wildereibekämpfung können
       Menschenrechtsrisiken entstehen.“ Die Risiken werden als „mittel“
       eingeschätzt.
       
       Einigen Spender:innen geht es nicht schnell genug, sie äußern Zweifel,
       ob der Fonds je gegründet wird. Kurzerhand verschickt das BMZ einen Brief
       an ein ungeduldiges reiches Ehepaar. Der Vorschlag: Zwei ihrer fünf
       eingereichten Schutzgebiete werden als Pilotparks in den Weltnaturerbefonds
       aufgenommen. Als das BMZ im Mai 2020 sechs Schutzgebiete auswählt, haben
       die zuständigen Regionalreferate nur 24 Stunden Zeit, um aus „triftigen
       politischen Gründen“ gegen die Auswahl zu votieren.
       
       ## Kuratorium bringt Ansehen
       
       Unter Druck steht das BMZ nicht nur durch ungeduldige Geldgeber:innen. Wie
       aus den der taz vorliegenden Dokumenten hervorgeht, meldet auch der
       Bundesrechnungshof Bedenken an. Wiederholt kritisiert er die Gründung einer
       privatrechtlichen Stiftung durch den Bund. Diese Rechtsform sei attraktiver
       für private Spender:innen, begründet die KfW. Die Mitgliedschaft in einem
       Stiftungskuratorium bringe ein hohes Ansehen mit sich. Ende 2020 wird die
       Stiftung gegründet.
       
       Die Akquise der Geldgeber:innen läuft weiter schleppend. Bislang sind
       vier private Stiftungen beteiligt, vor allem aus den USA. Deutsche
       Stifter:innen sind zögerlich. Etwa Sabine Plattner, die Frau des
       Softwaremilliardärs Hasso Plattner, die der damalige Entwicklungsminister
       Gerd Müller (CSU) im Oktober 2020 bei einem persönlichen Besuch umwarb. Die
       Plattners zählen bis heute nicht zu den Geldgeber:innen des Fonds.
       
       ## Niemand aus dem Globalen Süden
       
       Auf Anfrage teilt das BMZ mit, dass inzwischen Gespräche mit weiteren
       potenziellen Partnern fortgeschritten seien. Als Geldgeber ist nach
       Frankreich nun auch Norwegen dabei, beide aber mit vergleichbar kleinen
       Summen. Sieben neue Schutzgebiete wurden als Kandidaten für den LLF
       ausgewählt, vor allem in Afrika und Südamerika, darunter der
       [3][Yasuní-Park in Ecuador, wo vor Jahren eine Naturschutzinitiative
       scheiterte].
       
       In dem fünfköpfigen Stiftungskuratorium, dem höchsten Gremium des
       Weltnaturerbefonds, das auch am Ende über die Finanzierung weiterer Parks
       entscheidet, sitzen heute zwei Vertreter:innen von Stiftungen und NGOs.
       Aber niemand aus dem Globalen Süden. Vertreter:innen aus
       Entwicklungsländern hätten ohnehin nicht viel zu sagen. Sie sollten zwar
       „aus Transparenz- und Sicherheitsgründen“ in dem Gremium vertreten sein,
       wie es in einem Sitzungsprotokoll heißt. Die Mehrheit der Stimmen liege
       aber „selbstverständlich“ bei den Geldgeber:innen.
       
       18 Dec 2022
       
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