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       # taz.de -- Studie über Wissensvermittlung: So verstehen Menschen Klimafolgen besser
       
       > Viele wissen prinzipiell, dass sich die Erde erhitzt, aber unterschätzen
       > die Konsequenzen. Eine Studie zeigt, wie sich das besser vermitteln
       > lässt.
       
   IMG Bild: Badespaß im Sommer? Ja. Aber der Schlittschuh-Spaß im Winter wird an vielen Orten, an denen er früher normal war, seltener
       
       Berlin taz | Die Idee mit dem See ist Grace Liu in ihrem ersten Semester an
       der Uni gekommen. Sie studierte an der Princeton University, wo
       jahrzehntelang Studierende auf dem nahen Carnegie-See Schlittschuh fuhren.
       Aber 2020 war das kaum noch möglich. „Ich war neugierig, warum der See
       nicht mehr zufriert“, sagt Liu.
       
       Sie kramte sich durch alte Zeitungsartikel und interviewte ehemalige
       Studierende, um den Rückgang des Eises zu dokumentieren und zu zeigen: Das
       war der Klimawandel. Als sie ihre Ergebnisse in der Alumni-Zeitschrift
       veröffentlichte, schrieben ihr unzählige Ehemalige, berichteten von ihren
       Erinnerungen und trauerten um die Erlebnisse, die den aktuellen
       Studierenden vorenthalten bleiben.
       
       „Viele verbinden ein Gefühl des Verlustes damit, dass der See nicht mehr
       zufriert“, sagt Liu. „Dazu kommt ein bisschen Nostalgie.“
       
       Liu war schon damals überrascht von der emotionalen Reaktion, erinnert sie
       sich. Jetzt, als Doktorandin an der Carnegie Mellon University, hat sie in
       einer Studie ihre Intuition überprüft und herausgefunden: Wie man
       Klimawandel-Auswirkungen statistisch darstellt, macht einen Unterschied.
       Die Studie hat sie zusammen mit zwei Kollegen geschrieben [1][und im
       Fachmagazin Nature Human Behavior veröffentlicht].
       
       Das zentrale Ergebnis: Menschen nehmen Klimafolgen als stärker wahr, wenn
       die Daten binär, also als klar unterscheidbares Entweder-oder dargestellt
       werden: Früher ist ein See zugefroren, inzwischen kaum noch. Früher gab es
       häufig weiße Weihnachten, heute sind sie seltener. Früher mussten
       Sommerfeste selten [2][wegen Waldbrandrauch abgesagt werden], mittlerweile
       öfter.
       
       Einen [3][weit geringeren Effekt] haben dagegen sich allmählich verändernde
       Datenpunkte wie Temperaturanstiege, die die Forscher*innen
       „kontinuierliche Darstellung“ nennen.
       
       Um das herauszufinden, haben Liu und ihre Kollegen 799
       Studienteilnehmer*innen in Gruppen unterteilt und ihnen entweder ein
       Diagramm mit binären oder mit kontinuierlichen Klimadaten gezeigt. Die
       Daten waren ausgedacht und bezogen sich auf einen ebenso ausgedachten See.
       
       Die Proband*innen sollten dann auf einer Skala von 1 bis 10 jeweils
       bewerten, welche Wirkung der Klimawandel auf den See hat. Wer den
       Temperaturanstieg angeschaut hatte (siehe rechte Grafik), gab
       durchschnittlich eine 6,6 an. Wer dagegen das Diagramm gesehen hatte, auf
       dem nur eingetragen war, ob der See zugefroren war oder nicht (siehe linke
       Grafik), bewertete die Klimafolgen als weit heftiger: 7,5.
       
       Den gleichen Effekt stellten die Forscher*innen fest, als sie das
       Experiment mit echten Seen wiederholten. Auch als sie die Temperaturdaten
       mit einer Trendlinie versahen, sodass der Anstieg noch sichtbarer wird,
       blieb die binäre Darstellung wirkungsvoller.
       
       Liu und ihre Kollegen vermuteten, dass die binäre Darstellung etwas schuf,
       das sie „Illusion plötzlichen Wandels“ nennen: Zwar erwärmte sich der See
       kontinuierlich, aber aus den binären Daten lässt sich leichter ablesen,
       dass es [4][ein neues Normal gibt], und dass dieses neue Normal schlechter
       ist als das alte.
       
       Auch das haben die Forscher*innen getestet. Wer die binäre Darstellung
       gesehen hat, hat eher einen Punkt plötzlichen Wandels in den Daten gefunden
       als diejenigen, denen die Temperaturen gezeigt wurden – auch wenn es einen
       solchen Kipppunkt in den Daten nicht gab, weil die Seen weiterhin
       zufrieren, wenn auch deutlich seltener.
       
       Die Befragten reagieren auf direkte Konsequenzen des Klimawandels wie
       fehlendes Eis stärker als auf den recht abstrakten Temperaturanstieg,
       vermuten Liu und ihre Kollegen. Außerdem verstehen die
       Studienteilnehmer*innen durch die binäre Darstellung und die
       Illusion plötzlichen Wandels womöglich eher, dass viele Folgen des
       Klimawandels unumkehrbar sind.
       
       „Was wir herausgefunden haben, ist nicht wirklich überraschend“, sagt Liu.
       „Aber es ist gut, dass es jetzt wissenschaftlich belegt ist.“ Gleichzeitig
       sei es mit besserer Vermittlung des Klimawandels nicht getan, warnt sie.
       Vom bloßen Wissen sinken die Treibhausgasemissionen nicht. „Wie man das in
       tatsächliches Handeln übersetzt, sind wir nicht angegangen.“
       
       7 Jul 2025
       
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