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       # taz.de -- Wintersport-Boom in Florida: Eishockey schmilzt nicht
       
       > Tampa Bay Lightning steht im Finale des Stanley Cup. Was zeigt: Die
       > Wintersportart mit Puck hat im heißen Florida inzwischen Fuß gefasst.
       
   IMG Bild: Eishockey-Begeisterung bei über 30 Grad im Schatten: Fanshop von Tampa Lightning
       
       Wettervorhersage Tampa für Mittwoch, den 15. Juni: Trotz eines
       nachmittäglichen Wärmegewitters wird die Temperatur zu Abend nur auf knapp
       30 Grad Celsius sinken. Eine gute Gelegenheit für Menschen, die am Golf von
       Mexiko leben, die Amalie Arena aufzusuchen, um dort ihre
       Eishockey-Mannschaft bei angenehm herunterklimatisierten Bedingungen
       zumindest aus der Ferne anfeuern zu können. Tampa Bay Lightning tritt zum
       ersten Spiel der auf höchstens 7 Partien angesetzten Stanley-Cup-Finals bei
       den Colorado Avalanche an – und Florida hofft auf den [1][dritten Titel in
       Folge].
       
       Die Heimspielstätte der Lightning, in der am Montag das dritte Spiel der
       Serie steigen wird, ist beileibe nicht der einzige Ort, an dem sich die
       Eishockey-Fans versammeln werden. Die Lokalpresse listet Dutzende von
       Public-Viewing-Möglichkeiten in Tampa. Die Begeisterung für das Team ist
       groß, der Erfolg immens. Ein dritter Titel in Folge wäre ein Novum. Das ist
       keinem Klub mehr gelungen, seit die NHL im Jahr 2005 eine strenge
       Gehaltsobergrenze – und damit größere Chancengleichheit – eingeführt hat.
       Aber auch wenn Tampa Bay den Hattrick verpassen sollte: Das Franchise hat
       es geschafft, Eishockey im sogenannten „Sunshine State“ zu [2][etablieren].
       
       Das sah mal ganz anders aus. Noch in den nuller Jahren schien es so, als
       sei die sogenannte „Sun-Belt Strategy“ der National Hockey League (NHL)
       fehlgeschlagen. In den 90er Jahren war die Liga aggressiv [3][nach Süden]
       expandiert, in ganzjährig eisfreien Städten wie Tampa, Nashville, Atlanta,
       Anaheim und Miami wurden neue Franchises eröffnet, die traditionsreichen
       Minnesota North Stars zogen um ins texanische Dallas, und die ebenfalls
       ehrwürdigen Winnipeg Jets mitten in die Wüste nach Phoenix. Doch die
       meisten Klubs hatten finanzielle Probleme, überschaubaren sportlichen
       Erfolg und kaum Zuschauer. Die Coyotes gingen zwischenzeitlich pleite, die
       Thrashers gaben in Atlanta auf und wanderten nach Kanada ins verwaiste
       Winnipeg, und ein betrügerischer Besitzer der Nashville Predators musste
       sogar ins Gefängnis. In Tampa sah es nur etwas besser aus, denn obwohl die
       Lightning 2004 den Stanley Cup gewinnen konnten, blieben die Zuschauer aus.
       
       Dass sich das ändern konnte, lag an vor allem an zwei Komponenten. Zum
       einen an der demografischen Entwicklung: Florida zieht mit Steuervorteilen
       große Firmen an und lockt längst nicht mehr allein Rentner in ihren
       Wohnmobilen, sondern junge Familien aus dem kalten Norden der USA und
       Kanada, die Leben und Beruf dank Digitalisierung in ein sonnigeres Klima
       verlegen können. Die NHL-Klubs in Florida wiederum schaffen Möglichkeiten
       für den Nachwuchs dieser Familien, die oft mit Eishockey aufgewachsen sind,
       den Sport auszuüben.
       
       ## Sogar Derbys gibt es mittlerweile
       
       Nach einem Strategiewechsel ist das NHL-Franchise in Tampa nun kein
       abgehobener Satellit einer Sportunterhaltungsmaschinerie mehr, sondern
       versteht sich als Spitze einer sportlichen Pyramide. Als der neue
       Eigentümer Jeff Vinik den Klub 2010 übernahm, investierte er nicht nur gut
       100 Millionen Dollar in die Arena, sondern auch massiv in
       Graswurzel-Programme. Über 100.000 Eishockeyschläger wurden an Schulen der
       Gegend verteilt, mehr als 10 Eisflächen gebaut, eine Jugendliga
       installiert, und mittlerweile ist Florida in die Top Ten der
       US-Bundesstaaten mit den meisten aktiven Jugendspielern aufgestiegen.
       
       Das hat sich ausgezahlt. Seit März 2015 sind alle Lightning-Heimspiele in
       der Amalie Arena, benannt nach einer Ölfirma, mit 19.000 Zuschauern stets
       ausverkauft, mehr als 16.000 davon sind Dauerkartenbesitzer.
       
       So etabliert sind die Klubs in Florida, dass sie eine Rivalität entwickelt
       haben, die mit den traditionsreichen im Norden beinahe schon mithalten
       kann. Auch ein schöner Erfolg der Marketingabteilungen der beiden Klubs:
       Die hatten sich schon 1993 ausgedacht, dem Gewinner des Derbys zwischen
       Tampa Bay Lightning und den in Miami ansässigen Florida Panthers einen
       sogenannten „Sunshine Cup“ zu verleihen. Zum ersten Spiel der beiden
       Mannschaften kamen damals nur 3.876 Zuschauer, der Pokal hat ein paarmal
       den Namen gewechselt, aber als Panthers und Lightning nun im
       Playoff-Viertelfinale aufeinandertrafen, gab es kaum ein anderes Thema in
       der lokalen Sportpresse als den „Battle of Florida“ – und natürlich
       ausverkaufte Hallen. Eishockey ist angekommen in Florida – egal, ob Tampa
       Bay den dritten Stanley Cup in Folge holt oder nicht.
       
       15 Jun 2022
       
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