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       # taz.de -- Wirtschaftsstandort Deutschland: „Nicht zukunftsfähig“
       
       > Ökonom:innen sehen den Standort Deutschland in Gefahr. Sie fordern
       > mehr strategische Planung vom Staat und eine Reform der Schuldenbremse.
       
   IMG Bild: VW und andere Konzerne sind in der Krise – Dämmerung für den Standort Deutschland?
       
       Berlin taz | Wirtschaftswissenschaftler:innen sehen den Standort
       Deutschland grundlegend gefährdet und fordern die Bundesregierung auf,
       staatlich gegenzusteuern. „Das Grundproblem ist: Das deutsche
       Geschäftsmodell basierend auf Export, Industrieorientierung und
       Automobilindustrie ist nicht zukunftsfähig“, so der ehemalige
       Wirtschaftsweise Peter Bofinger zur taz.
       
       In einem Papier für das Wirtschaftsforum der SPD, das der taz vorliegt,
       fordern er und andere Ökonom:innen den Staat auf, Zukunftsbranchen zu
       definieren, die künftig gezielt gestärkt werden sollen. In Deutschland
       gelte immer noch das Dogma, dass sich der Staat aus industriepolitischen
       Zielplanungen heraushalten solle, heißt es in dem Papier: „Wenn wir hier
       nicht sehr bald einen Paradigmenwechsel vornehmen, droht Deutschland ein
       disruptiver Prozess mit gravierenden Folgen für den Wohlstand.“
       
       Sie berufen sich dabei auch auf [1][einen Vorschlag, den der ehemalige
       Zentralbankchef Mario Draghi] kürzlich in einem Bericht für die
       EU-Kommission unterbreitet hatte.
       
       So könnte etwa der Bereich Künstliche Intelligenz gezielt gefördert werden,
       meint der Ökonom und Mitverfasser des Papiers für die SPD, Jens Südekum,
       zur taz. Er schlägt vor, die für die Intel-Ansiedlung vorgesehenen 10
       Milliarden Euro zu Förderung von Startups im Bereich KI einzusetzen.
       
       ## Ausbau von Ladesäulen statt Abwrackprämie
       
       Von einer [2][Abwrackprämie zur Förderung der kriselnden Autoindustrie],
       wie sie Teile der SPD-Fraktion vorschlagen, hält Südekum dagegen nichts.
       „Damit würde man aktuell nur Tesla und chinesische Autos subventionieren.“
       Statt einer Abwrackprämie bräuchte es stattdessen das Ende der Debatte um
       eine Verschiebung des Verbrennerverbots und einen konsequenten Ausbau der
       Ladeinfrastruktur für E-Autos.
       
       Einen ermäßigten Industriestrompreis und eine Entlastung der
       Verbraucher:innen von den Netzentgelten, wie sie ebenfalls in der SPD
       kursieren, halten Südekum und auch Matthias Machnig vom Wirtschaftsforum
       der SPD für notwendig. Der Ausbau der Netze wird gegenwärtig allein von den
       Verbraucher:innen bezahlt. Sie davon zu entlasten, das ließe sich auch
       innerhalb der geltenden Schuldenbremse bewerkstelligen.
       
       Generell fordern die Autor:innen eine Reform der grundgesetzlichen
       Schuldenbremse, um notwendige öffentliche Investitionen von rund 600
       Milliarden Euro zu ermöglichen. Die im Bundeshaushalt vorgesehenen
       Investitionen von 81 Milliarden Euro entsprächen „nicht mal im Ansatz dem,
       was nötig wäre“, so Südekum.
       
       ## „Rettungsring der FDP“
       
       Die Fachwelt sei sich in einem noch nie dagewesenen Maße einig, dass die
       Schuldenbremse reformbedürftig sei, meint auch der ehemalige
       Wirtschaftsweise Bofinger. „Die Schuldenbremsen ist nur noch der
       Rettungsring der FDP.“
       
       Die Freien Demokraten um ihren [3][Vorsitzenden Christian Lindner haben
       mehrfach betont,] dass sie die Schuldenbremse unverändert beibehalten
       wollen.
       
       Lena Dräger, Professorin für Internationale Finanzwirtschaft an der Uni
       Hannover, warnt jedoch vor „blindem Aktionismus“ und plädiert für eine
       gründliche strategische Analyse. Diese könne auch die jetzige
       Bundesregierung noch vornehmen. Und sie würde auch nichts kosten.
       
       28 Sep 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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