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       # taz.de -- Wissenschaftler in Coronazeiten: Der Epidemiologe als Popstar
       
       > Hugo López-Gatell gilt als eloquenter Coronabeauftragter der
       > mexikanischen Regierung – und hat das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen.
       
   IMG Bild: Frauen diskutieren, ob er noch zu haben sei: Hugo López-Gatell, der mexikanische Drosten
       
       BERLIN taz | Keine Frage, Hugo López-Gatell ist längst ein Popstar. Wen
       sollte es also verwundern, dass der mexikanische Epidemiologe mittlerweile
       für ein paar hundert Pesos als Vinylfigur im Funko-Pop-Stil zu erwerben
       ist, Mundschutz und Covid-19-Viruskugel aus Plastik inklusive.
       
       Kaum war der 51-Jährige erstmals aufgetreten, kursierten seine Jugendfotos
       im Internet. Mittlerweile ziert sein Konterfei Schutzmasken und Frauen
       diskutieren, ob der attraktive Mann denn noch zu haben sei.
       
       Letzteres klärte sich jüngst auf, nachdem seine Ehefrau die schlechte
       Recherche einer Zeitung zurechtrückte und klarstellte, dass die beiden
       bereits seit einem Jahr getrennt lebten.
       
       Jeden Tag informiert López-Gatell, der Coronavirus-Beauftragte der
       mexikanischen Regierung, mit seinem Team in einer Pressekonferenz eine
       Stunde lang über die aktuelle Entwicklung der Pandemie.
       
       ## Er redet Klartext in freundlichem Ton
       
       Während Präsident [1][Andrés Manuel López Obrador] noch quer durch das Land
       reiste, Kinder umarmte und das Bad in der Menge genoss, machte der
       Epidemiologe bereits auf die Risiken direkten zwischenmenschlichen Kontakts
       aufmerksam.
       
       Sein besonnenes, freundliches und eloquentes Auftreten schufen ein
       Vertrauen in die Behörden, das der Staatschef bis heute nicht vermitteln
       kann, weil ihm wirtschaftliche Fragen mehr am Herzen liegen als
       gesundheitliche.
       
       Dabei macht auch López-Gatell keinen Hehl daraus, dass in Mexiko die Zahl
       der Infizierten und Toten zunimmt. Es sei kein Geheimnis, dass die derzeit
       über 55.000 Infizierten angesichts der Zählweise nur etwa ein Achtel der
       tatsächlich Betroffenen darstellten.
       
       Er lässt auch keinen Zweifel daran, dass die Krankenhäuser bei Weitem nicht
       über die nötige medizinische Ausrüstung verfügen, um alle Angesteckten zu
       behandeln.
       
       Deshalb wird er nicht müde zu betonen: „Bleibt zu Hause.“ Viele halten sich
       daran. Trotz der Armut, die fast die Hälfte aller Einwohner dazu zwingt,
       täglich arbeiten zu gehen, um zu überleben.
       
       López-Gatell weiß, wovon er spricht. Als Staatssekretär im
       Gesundheitsministerium kennt er die soziale Situation und den politischen
       Rahmen, als Epidemiologe war er unter anderem an der renommierten
       Johns-Hopkins-Universität in den USA tätig. Dort forschte er zu den
       Konsequenzen von Tuberkulose für HIV-Infizierte.
       
       ## Er bleibt Mensch und ist kein Technokrat
       
       Vor allem aber beeindruckt der Mediziner, weil er sich nicht nur mit
       Statistiken, Todesraten und ansteigenden Kurven beschäftigt. Sein Team
       spricht auch über [2][die zunehmende Gewalt gegen Frauen], die das
       Zu-Hause-Bleiben verursacht. Oder es informiert über die Probleme, die die
       Restriktionen für Menschen mit Behinderungen mit sich bringen.
       
       Eine Konferenz dürfte vielen Mexikanern lange in Erinnerung bleiben. In
       einer Video-Fragestunde für Kinder wollte ein siebenjähriges Mädchen
       wissen, ob es denn in zwei Wochen ihren Geburtstag mit ihren Freundinnen
       feiern könne. Das werde wohl nicht klappen, reagierte López-Gatell, um der
       Kleinen dann liebevoll zu erklären, dass sie ihre Feier über das Internet
       organisieren könnte.
       
       23 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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