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       # taz.de -- Wölfe in Brandenburg: Wölfe sollen Angst kriegen
       
       > In der Uckermark diskutieren Jäger und Bauern über den Wolf. Mit dabei:
       > der neue Umweltstaatssekretär, der sich bereits mit dem Abschuss von
       > Bibern hervortat.
       
   IMG Bild: Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Wölfe, wie in Brandenburg
       
       Prenzlau taz | Blutige Bilder flimmerten über die Leinwand: Ein Schaf, dem
       die Hinterbeine fehlen, die Gedärme aus dem Leib hängen. Ein zerfetztes
       Kälbchen. Alles Wolfsrisse, klagen Tierhalter bei der Veranstaltung, die am
       Mittwoch im Kultursaal von Prenzlau stattfand.
       
       Die CDU-Landrätin des Landkreises Uckermark hatte zu einem sogenannten
       Wolfshearing eingeladen. Landwirte, Jäger und Naturschützer sollten ihre
       Sorgen und Nöte mit dem Wolf schildern. Dass das zum jetzigen Zeitpunkt
       passiert, hat einen Grund. Brandenburg hat eine neue Landesregierung.
       
       Viel ist es nicht, was sich im Koalitionsvertrag von SPD und BSW zum Thema
       Wölfe findet, aber es lässt Interpretationsspielraum zu: „Wir werden alle
       Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber
       einzuführen. Im Bund setzen wir uns für die notwendigen rechtlichen
       Änderungen ein.“
       
       ## Keine hitzigen Gefechte
       
       Was da in Prenzlau stattfand, war keine öffentliche Veranstaltung. Rund 50
       Menschen nahmen teil, die Mehrzahl waren Männer. Es gab keine hitzigen
       Gefechte zwischen vermeintlichen Wolfsgegnern und Wolfsbefürwortern, wie
       man sie von ähnlichen Hearings kennt. Die Haltung im Saal entsprach
       ziemlich genau dem, wie ein Jäger, gleichzeitig Landwirt, es in seinem
       Vortrag formuliert: „Der Wolf wurde 20 Jahre verhätschelt. Wir durften
       nichts tun. Nicht mal vergrämen, nichts. Wenn wir etwas getan hätten, wären
       die Probleme nicht entstanden“.
       
       Bei dem im Saale anwesenden neuen Staatssekretär des Landwirtschafts- und
       Umweltministeriums, Gregor Beyer (FDP) stießen solche Worte ganz
       offensichtlich auf offene Ohren. Brandenburg hat mit Abstand die meisten
       Wolfsrudel in Deutschland. [1][Von 209 Rudeln, die in Deutschland
       nachgewiesen sind, leben 58 in Brandenburg]. Die Landesregierung sei „fest
       entschlossen, in ein aktives Bestandsmanagement der Wölfe einzusteigen“,
       kündigte Beyer an.
       
       Brandenburg werde die Wölfe schnellstmöglich ins Jagdrecht aufnehmen. Die
       Themen Jagd- und Forstwirtschaft würden „künftig Chefsache“, und in einer
       eigenen Stabsstelle direkt bei ihm angesiedelt, so der Staatssekretär.
       Bislang ist das aus sechs Mitarbeitern bestehende Team des Wolfsmanagements
       sowie das Wolfsmonitoring im Landesamt für Umwelt angesiedelt.
       
       Nach der geltenden Brandenburger Wolfsverordnung dürfen einzelne Wölfe
       geschossen werden, wenn sie zweimal einen Weidezaun von 1,20 Metern
       übersprungen und Nutztiere gerissen haben. Entnahme nennt sich die Freigabe
       zum Abschuss in der Fachsprache. Acht Freigaben habe es seit 2021 gegeben,
       sagt die Fachreferentin Verena Harms am Mittwoch in Prenzlau. Die Maßnahmen
       liefen zum Teil noch. Erschossen worden seien bisher zwei Wölfe.
       
       1.047 Tiere waren 2024 laut Harms in Brandenburg von Wolfsübergriffen
       betroffen, 2023 waren es 1.465. Seit 2007 habe das Land 1,2 Millionen Euro
       Entschädigung an betroffene Tierhalter gezahlt. Für Präventionsmaßnahmen
       wie Zäune und Herdenschutzhunde seien 12,5 Millionen ausgegeben worden.
       
       Dass die SPD-BSW Landesregierung den Wolf in das Jagdrecht aufnehmen will,
       hört sich martialisch an, ist aber kein Freifahrtschein für ungeregelte
       Abschüsse. Am Schutzstatus des Tieres ändert sich dadurch nichts.
       
       [2][Im Europarat haben EU-Staaten kürzlich mit der Stimme Deutschlands für
       einen abgesenkten Schutz des Wolfs votiert]. Damit wurde der Weg für ein
       Verfahren freigemacht, um den Wolfsbestand regulieren zu können. Bis sich
       das Europaparlament auf eine Neuregelung der Bejagungsvorschriften geeinigt
       hat, dürfte noch einige Zeit vergehen.
       
       ## Jagdverband prescht vor
       
       Das hindert den Jagdverband Brandenburg aber nicht, von Rot-Lila zügige
       Regelungen zu fordern. „Wir brauchen eine deutliche Reduzierung des
       aktuellen Wolfsbestands, die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht und eine
       dauerhafte Jagdzeit für den Wolf“, fordert der Verband. Zu viele
       Nutztier-Risse seien zu beklagen. Umweltschützer von Nabu und BUND fordern
       ihrerseits mehr Schutz für den Wolf. Die Landespolitik solle sich verstärkt
       gegen illegalen Wolfsabschuss und Wilderer einsetzen.
       
       Das Problem ist nur: Die neue Umwelt- und Agrarministerin Hanka Mittelstädt
       (SPD) steht im Verdacht, [3][als frühere Hühnerbaronin das Umweltrecht
       ausgetrickst zu haben]. Auf eine Ausweitung des Wolfsschutzes kann man bei
       ihr wohl kaum hoffen. Dass Mittelstädt auf die Idee verfallen ist, Gregor
       Beyer als Staatssekretär in ihre Behörde zu holen, spricht zudem für sich.
       
       Der frühere FDP-Landesvorsitzende Beyer hatte 2014 im Wahlkampf in
       Brandenburg mit einem Plakat geworben: „Biber abschießen“. Die FDP ist
       schon lange nicht mehr im Landtag vertreten, Beyer hatte zuletzt als
       Beigeordneter im Landkreis Märkisch-Oderland Verwendung gefunden.
       
       Das zu erwähnen, ist wichtig. Am Mittwoch bei der Veranstaltung in Prenzlau
       brüstete er sich mit dem Hinweis: Er sei derjenige gewesen, der im
       September 2024 beim Oderhochwasser 80 Biber zum Abschluss freigegeben habe
       – aus Gründen des Deichschutzes, wie er sagt.
       
       Eigentlich seien es sogar mehr als 90 Biber gewesen, sagt Beyer nach der
       Veranstaltung zur taz. Zuerst habe ihn Ministerpräsident Dietmar Woidke
       (SPD) gefragt, ob er als Staatssekretär zur Verfügung stehe. Seine FDP
       Mitgliedschaft ruhe zurzeit.
       
       „Lasst uns ehrlich sein“, gibt Beyer per Du am Mittwoch den Politiker zum
       Anfassen. Man werde weiterhin [4][Wolfsschutz] fördern, mit entsprechenden
       Maßnahmen. „Der Wolf muss wieder lernen, Angst zu haben, wenn er um den
       Stall schleicht“, sagt er.
       
       10 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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