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       # taz.de -- Zahlen zu Rassimus und Diskriminierung: Zermürbt von den Nachbarn
       
       > Die Beratungsstelle Reach Out hat ihre Bilanz für 2021 vorgelegt.
       > Angriffe aus rassistischen Motiven sind in Berlin weiter auf einem hohen
       > Niveau.
       
   IMG Bild: Klare Devise: Gegen Rassismus und Diskriminierung
       
       Berlin taz | Angriffe aus rassistischen Motiven sind in Berlin weiter auf
       einem hohen Niveau. Das geht aus Zahlen von [1][Reach Out hervor, der
       Beratungsstelle] für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer
       Gewalt, die diese Angriffe in einer eigenen Statistik erhebt. Täglich
       würden Menschen in Berlin verletzt und bedroht, in den allermeisten Fällen
       aus rassistischen Motiven.
       
       Reach Out hat für das Jahr 2021 demnach 353 Angriffe aus rassistischen oder
       antisemitischen Motiven oder gegen die sexuelle Orientierung oder Identität
       dokumentiert. Die Beratungsstelle sieht damit keinen Rückgang zum Vorjahr –
       für 2020 hatte sie 357 Angriffe gemeldet. Denn: Mit 620 Menschen seien so
       viele wie nie zuvor von solchen Angriffen betroffen. Dabei war Rassismus
       mit 219 Fällen das häufigste Motiv.
       
       Reach Out dokumentiert nach eigenen Angaben unterschiedlich schwere
       Körperverletzungen, massive Bedrohungen und Nötigungen, die „erhebliche
       Folgen für die Betroffenen“ haben. Dabei steht für die Beratungsstelle die
       Perspektive und Erfahrung der Angegriffenen im Vordergrund, weshalb es sich
       bei den Angriffen auch nicht nur um strafrechtlich relevante Gewaltdelikte
       handelt. Die Beratungsstelle geht davon aus, dass es darüber hinaus ein
       großes Dunkelfeld gibt, sagte Sabine Seyb bei der Präsentation der
       Auswertung am Mittwoch.
       
       Ein besonderes Augenmerk hätten sie dieses Mal auf – ebenfalls meist
       rassistische – Angriffe in der Nachbarschaft gelegt, sagte Seyb. In
       mindestens 23 Fällen hätten Täter die Betroffenen in deren direktem
       Wohnumfeld attackiert. „Das sollte aber ein geschützter Raum sein“, sagte
       Seyb. „Daher können aus solchen Angriffen schnell existenzielle Nöte
       entstehen.“
       
       Das bestätigt auch Biplab Basu, ebenfalls von Reach Out. „Wir stellen fest,
       dass Menschen, die sich deswegen an uns wenden, am Ende ihrer Kräfte sind,
       weil sie andauernd angegriffen und schikaniert werden“, sagte er. „Und die
       Nachbarn gehen oft noch weiter. Sie protokollieren etwa Geräusche und
       schicken Briefe an die Hausverwaltung, die wiederum die Anschuldigungen oft
       nicht überprüft und dann Abmahnungen schickt“, sagte er.
       
       Neben der Hausverwaltung würden oft weitere Behörden mit einbezogen. „Ich
       wurde anfangs gemobbt, der Nachbar hat mir im Treppenhaus keinen Platz
       gemacht“, sagte Katsiaryna Olszewski, die sich wegen solcher Schikanen an
       Reach Out gewandt hatte. Doch aufgrund eines anonymen Briefs habe sich dann
       sogar das Jugendamt bei ihr gemeldet, angeblich seien Hilfeschreie der
       Kinder zu hören gewesen.
       
       „Wir beobachten, dass die Behörden und Wohnungsbaugesellschaften solche
       Beschwerden von Nachbar*innen oft ungeprüft übernehmen“, sagte Basu.
       „Rassisten pöbeln, und sie finden überall Unterstützung.“ Auch bei der
       Beratungsstelle Fair Mieten Fair Wohnen sieht man dies als Zeichen einer
       zunehmenden Hemmungslosigkeit. Die Beratungsstelle hat daher eine
       Handreichung erarbeitet, die auch als Broschüre vorliegt. „Solche Fälle
       gehen über Nachbarschaftskonflikte hinaus“, sagte Remzi Uyguner von Fair
       Mieten Fair Wohnen. „Deshalb wollen wir auch die Vermieter*innen dafür
       sensibilisieren.“ Solidarische Nahbar*innen könnten sich etwa als
       Zeug*innen anbieten.
       
       Sorge macht Reach Out darüber hinaus auch, dass [2][zunehmend Kinder und
       Jugendliche angegriffen werden] oder Zeug*innen von Angriffen sind. „Das
       lässt auf eine erschreckende Brutalität der Täter*innen schließen“,
       sagte Sabine Seyb von Reach Out bei der Präsentation der Statistik. Fremde
       Erwachsene würden Kinder anschreien, stoßen oder schlagen. Auch hier sei
       meist Rassismus das Motiv.
       
       Reach Out beklagte auch, dass die Auswertung der Fälle im vergangenen Jahr
       schwerer gewesen sei als in den Vorjahren. Denn die Ermittlungsbehörden
       würden sehr viel weniger Informationen zur Verfügung stellen.
       
       „Die Behörden begründen das mit rechtlichen Bestimmungen im Datenschutz.
       Andererseits gibt es weiterhin Pressemeldungen der Polizei“, sagte Seyb.
       „Wir fordern, dass das überprüft und wieder geändert wird, damit ein
       umfassendes Monitoring auch in Zukunft möglich ist“, sagte sie.
       
       4 May 2022
       
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