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       # taz.de -- Zenit St. Petersburg ist russischer Meister: Volle Konten, leere Stadien
       
       > Zenit St. Petersburg hat sich den Titel in Russlands Premier Liga
       > gesichert. Nun träumt man von einer großen Fußballzukunft und von der WM
       > im eigenen Land.
       
   IMG Bild: Feiernde Fans von Zenit St. Petersburg.
       
       Es wurde gefeiert. Zenit St. Petersburg steht seit Sonntag als russischer
       Fußballmeister 2010 fest - zwei Tage vor Saisonschluss. Und so ließen es
       die Fans krachen nach dem meisterschaftsentscheidenden 5:0 gegen den FC
       Rostow.
       
       Doch was genau abging in der Stadt, darüber gibt es unterschiedliche
       Angaben. Augenzeugen berichteten von einer Schlacht zwischen 2.000 Fans,
       die den zentralen Newski-Prospekt blockiert haben, und der Polizei, der es
       auch mit massiven Tränengaseinsatz nicht gelungen sein soll, die Party
       aufzulösen. So berichtet es die Nachrichtenagentur Ria Novosti.
       
       Die Polizei dagegen ließ mitteilen, es sei zu keinen größeren
       Auseinandersetzungen gekommen. Am Tag der Meisterschaftsentscheidung sollte
       es wohl keine schlechten Nachrichten geben. Die kann der russische Fußball
       derzeit nicht gebrauchen. 2018 wollen die Russen das WM-Turnier
       beherbergen. Am 2. Dezember bestimmt die Exekutive des Weltfußballverbandes
       Fifa den Austragungsort.
       
       Der Fußball in der Russischen Föderation steht an diesem Tag auf dem
       Prüfstand. Dem wird immer wieder ein goldene Zukunft prophezeit. Das liegt
       an den großen Summen, die staatliche Konzerne, Regionalregierungen und
       potente Mäzene in die Ligaklubs stecken. Zenit St. Petersburg, der neue
       Meister, gilt in dieser Hinsicht als beispielhaft. Seit der Staatskonzern
       Gazprom den Klub 2005 übernommen hat, entwickelte sich der Fußball in St.
       Petersburg in einem enormen Tempo. 2007 wurde Zenit Meister.
       
       Vor dieser Saison steckte der Energieriese so viel Geld in den Kader wie
       nie zuvor. Für 30 Millionen Dollar wurde Bruno Alves vom FC Porto
       verpflichtet, genauso viel kostete dessen Landsmann Danny, der von Dinamo
       Moskau kam. Angeleitet wird die Mannschaft vom italienischen Trainer
       Luciano Spalletti, der 4 Millionen Euro im Jahr verdienen soll.
       
       Der russische Fußball brummt, so könnte man meinen. Doch die
       Zuschauerzahlen sprechen eine andere Sprache. Da werden Stars angelockt,
       denen bei einer Einkommensteuer von lediglich 13 Prozent viel bleibt von
       ihren hohen Gehältern, und kaum einer interessiert sich so recht dafür.
       
       Kevin Kuranyi ist einer dieser Vielverdiener. Er hat bei Dinamo Moskau
       angeheuert. Der Traditionsverein hat derzeit nicht einmal ein eigenes
       Stadion. Die Spiele, die selten mehr als 10.000 Zuschauer sehen wollen,
       finden im Vorort Chimki statt, wo auch Stadtrivale ZSKA spielt. Dinamo will
       sein Stadion in der Stadtmitte abreißen lassen und hat den Fans
       versprochen, 2012 eine moderne Arena an gleicher Stelle zu eröffnen. Das
       wird wohl nichts mehr. Von einer Eröffnung 2015 ist jetzt die Rede.
       
       Immerhin kommt der Meister gut an bei den Massen. Das Petrowski-Stadion ist
       fast immer voll, wenn Zenit spielt. 20.000 passen ist die alte
       Betonschüssel. Ein Jahr muss der Klub darin noch spielen. Dann kann er
       umziehen in ein neues 60.000 Zuschauer fassendes Stadion. Dessen
       Fertigstellung war eigentlich schon für 2008 geplant, jetzt wird mit der
       Schlüsselübergabe für Ende 2011 gerechnet. Den Modernisierungsschub, den
       die Vergabe der WM nach Russland auslösen würde, würden die vielen
       ausländischen Profis in der Premier Liga sicher begrüßen.
       
       Noch gehören Auftritte in maroden Arenen zum Alltag. Die weiten Reisen zu
       Spielen in uralten Stadien nach Dagestan oder nach Naltschik, der
       Hauptstadt der russischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien im Nordkaukasus,
       sind alles andere als komfortabel. Und so ist es nicht verwunderlich, dass
       sich Spieler trotz ihrer auch im Vergleich zu den Ligen in Spanien, Italien
       und England ansehnlichen Gehältern dazu entschließen, Russland zu
       verlassen.
       
       Stürmer Alexander Kerschakow, der beste Torschütze des Meisters, könnte
       bald einer von ihnen sein. Er liebäugelt mit einem Wechsel zum FC
       Liverpool. Und Zenit-Trainer Luciano Spalletti wird auch mit ganz viel Geld
       kaum zu halten sein, wenn sich ein italienischer Spitzenverein um ihn
       bemüht. Da sind sich die Sportzeitungen Italiens, die Spalletti als
       künftigen Trainer von Inter Mailand sehen, jedenfalls sicher.
       
       Die ganz großen Erfolge auf der europäischen Bühne waren bislang auch nicht
       in Russland zu holen. Zwar hat ZSKA Moskau im Jahr 2005 und Zenit St.
       Petersburg 2008 den Uefa-Pokal geholt. Doch der ist eben nur der hässliche
       Bruder der strahlenden Champions League. Da war in der vergangenen Saison
       das Vordringen von ZSKA Moskau bis ins Viertelfinale der bislang größte
       russische Erfolg.
       
       Es gibt noch einen weiteren sportlichen Grund, die Premier Liga mit Skepsis
       zu betrachten. Immer wieder wird über Spielmanipulationen spekuliert. Doch
       untersucht werden die verdächtigen Vorfälle selten. Nur einmal konnte der
       Verband nicht umhin, ein Verfahren einzuleiten. Zu eindeutig war, dass das
       2:3 von Samara bei Terek Grosny in der vergangenen Saison verschoben war.
       
       St. Petersburgs Meisterschaft scheint in dieser Hinsicht unverdächtig zu
       sein. Da hat man andere Probleme. Immer wieder schockieren Berichte über
       die offen rechtsradikalen Hooligans des Vereins die Öffentlichkeit. Doch
       nichts Genaues soll man darüber erfahren. Dafür sorgen die Behörden.
       Schließlich soll 2018 in St. Petersburg ein WM-Halbfinale stattfinden.
       
       15 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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       Der Psychologe Clifford Stott meint, vor allem die Polizei muss umdenken,
       um Gewalt in den Fußballstadien zu verhindern. Den Groll der Fans gegen
       Stadionverbote findet er nachvollziehbar.