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       # taz.de -- Zerstörung von armenischen Kirchen: Der Offizier auf dem Glockenturm
       
       > In den von Aserbaidschan beherrschten Regionen werden armenische Kirchen
       > zerstört. So beginnt das Umschreiben der Geschichte.
       
   IMG Bild: Armenier besuchen Ende 2020 das Kloster Dadiwank, bevor das Gebiet an Aserbaidschan übergeben wird
       
       Aserbaidschans Regierung hat eine Lösung gefunden, um die Geschichte im
       Südkaukasus neu zu schreiben. Ende März wurde die armenische Kirche
       „Heilige Gottesmutter Maria“ in der Stadt Jebrayil dem Erdboden
       gleichgemacht. Die gleichnamige Region wird seit dem Ende des Krieges um
       Bergkarabach Mitte November von Aserbaidschan kontrolliert. Keine Kirche,
       keine Armenier*innen, so einfach ist das für den aserbaidschanischen
       Präsidenten Ilham Alijew.
       
       Schon kurz nach dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens feierten die
       ersten aserbaidschanischen Soldaten ihren Sieg auf dem Dach der armenischen
       Kirche in Jebrayil. Im Netz zirkulieren Videos, die zeigen, wie ein
       aserbaidschanischer Offizier auf der Spitze des Glockenturms steht. Er
       erhebt seine Hände und ruft minutenlang so laut, wie er kann, „Allahu
       Akbar“. Seine Soldaten wiederholen das im Chor.
       
       [1][Armenien beschuldigt Aserbaidschan der Zerstörung armenischer
       Gotteshäuser und Kreuzstein-Denkmäler], die die Armenier*innen in den
       nun von Aserbaidschan beherrschten Regionen zurückgelassen haben. Auf
       zahlreichen Aufnahmen ist zu sehen, wie aserbaidschanische Soldaten
       armenische Kirchen entweihen.
       
       Baku erinnert seinerseits daran, dass es Armenier*innen waren, die
       aserbaidschanische Kulturgüter während des ersten Krieges Anfang der 1990er
       Jahre beschädigt und zerstört hätten. Damals hatte Armenien sieben Regionen
       rund um das Gebiet Bergkarabach erobert.
       
       ## Ein leeres Feld, wo die Kirche nicht mehr stand
       
       Das Schicksal der Marienkirche in Jebrayil wurde bekannt, weil ein Team der
       BBC zu Recherchezwecken in die Region gereist war. An der Stelle, wo das
       Gotteshaus stand, fanden die Journalist*innen nur ein leeres Feld vor.
       Die apostolische Kirche in Jebrayil war relativ neu. Sie wurde vor drei
       Jahren von armenischen Soldaten für armenische Militärangehörige gebaut.
       
       Die armenische Seite hat über 80 armenische Kirchen und Klöster allein in
       Bergkarabach registriert, die über viele Jahrhunderte hinweg errichtet
       wurden. Über 4.000 Denkmäler werden in der staatlichen Liste für
       Denkmalschutz geführt. Sie werden unter anderem bis auf das 9. Jahrhundert
       nach Christus datiert. Dutzende davon fallen jetzt unter aserbaidschanische
       Kontrolle, wie der Klosterkomplex Dadiwank.
       
       Im März besuchte der [2][aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew] eine
       armenische Kirche aus dem 12. Jahrhundert im Dorf Hunarli (armenisch:
       Tsakuri) in der Nähe der Region Hadrut. Diese Region gehört zu dem Teil von
       Bergkarabach, den die aserbaidschanische Regierung von Baku aus jetzt
       ebenfalls kontrolliert. Auch diese Kirche ist in ihrer Existenz bedroht,
       obwohl Kameras Alijews Besuch dokumentierten. Die Wände der Kirche sind mit
       armenischen Inschriften geschmückt. „All diese Inschriften sind gefälscht –
       sie sind jüngeren Datums. Armenien hat sich eine falsche Geschichte
       geschaffen – in einem alten Land, das uns gehört“, sagte Aliijew.
       
       „Armenien wollte diese Kirchen armenisieren, aber das ist gescheitert“,
       sagte Alijew. Die Botschaft: Das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan
       erhebt generell Anspruch auf armenische Kirchen und Klöster in der gesamten
       Region. Bakus Begründung lautet wie folgt: Aserbaidschan sei der Nachfahre
       der alten kaukasischen albanischen Zivilisation. Der Begriff Kaukasisches
       Albanien bezeichnet einen ehemaligen Staat. Er befand sich in der Antike im
       Kaukasus, hauptsächlich im heutigen Aserbaidschan.
       
       Doch die Aserbaidschaner*innen machen auch vor anderen armenischen
       Gedenkorten nicht Halt. In der Stadt Schuschi ließ Baku ein Genozid-Mahnmal
       abreißen, das an den türkischen Völkermord an den Armenier*innen 1915
       erinnerte. Das passt ins Bild: Während des Krieges um Bergkarabach war die
       Türkei Aserbaidschans treuester Verbündeter.
       
       7 Apr 2021
       
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