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       # taz.de -- Zoodirektor über Umgang mit Tieren: „Töten zum Verfüttern ist legal“
       
       > Der Zoo Leipzig hat vor Besuchern ein Zebra an Löwen verfüttert,
       > daraufhin hagelte es Kritik. Die Empörung versteht der Nürnberger
       > Zoodirektor Dag Encke nicht.
       
   IMG Bild: „Fleisch vom Zebra ist nicht schlechter als das vom Rind“: Zebra im Leipziger Zoo
       
       taz: Das Zebra Franz war gesund, trotzdem hat der Leipziger Zoo es den
       Löwen zum Fraß vorgeworfen – verstehen Sie die Empörung? 
       
       Dag Encke: Nein. Natürlich füttern wir ausschließlich Fleisch von gesunden
       Tieren. Kranke Tiere dürften wir gar nicht verfüttern und das Fleisch vom
       Zebra ist nicht schlechter als das vom Rind. Das Zebra leidet nicht mehr
       als ein Rind. Es hatte zuvor ein gutes Leben. Wir tun doch gut daran, gut
       gehaltene Tiere zu verfüttern.
       
       Naja, das Zebra – ein Hengst – wurde geschlachtet, nur weil sein Sperma
       nicht mehr das beste war. Ist das ein guter Grund, Tiere zu töten? 
       
       In jedem Fall ist es ein vernünftiger Grund. Das war ein Grevy-Zebra, eine
       vom Aussterben bedrohte Art…
       
       …die haben große Ohren, sind mit ihren schmalen Streifen und weißem Bauch
       besonders hübsch… 
       
       …und selten. Es gibt es nur noch etwa 2.000 bis 3.000 frei lebende
       Exemplare in Afrika.
       
       Da müsste man doch jedes Tier retten? 
       
       Zoos züchten bedrohte Arten, um Reservepopulationen zu bewahren. Wenn ein
       Tier zur Zucht nicht beitragen kann, hilft es auch bei der Erhaltung der
       Art nicht mehr.
       
       Und dann ist die Tötung übliche Praxis? 
       
       Das Töten zum Verfüttern ist legale Praxis. Wenn das Erbgut für das
       Zuchtprogramm nicht mehr wertvoll ist, sich auch in anderen Zoos kein guter
       Platz mehr findet, dann gilt ein Tier als überzählig. Es kann dann schmerz-
       und angstfrei getötet werden. Wer eine Art retten will, muss dafür
       unweigerlich auch bereit sein, Individuen zu töten.
       
       Sie kastrieren im Nürnberger Zoo jetzt aber zwei junge Gorillas einer
       bedrohten Art und verhindern damit Nachwuchs – was soll das? 
       
       Das machen wir in Absprache mit dem Fachgremium des Europäischen
       Erhaltungszuchtprogramms. Die beiden sollen sich nicht fortpflanzen, weil
       ihre genetische Linie schon überrepräsentiert ist.
       
       Zebras schlachten Sie, Gorillas nicht? 
       
       Nein, denn dazu fehlt der nötige gesellschaftliche Konsens.
       
       Wie kommen Sie darauf, dass das Töten sonst akzeptiert ist? Der Leipziger
       Zoo muss sich jetzt rechtfertigen. [1][2014 traf es den Zoo in Kopenhagen,
       der die junge Giraffe Marius geschlachtet hatte]. Und Sie standen auch
       schon mal in der Kritik, weil Sie angekündigt haben, einen Löwen zu töten,
       der sich nicht mehr paaren wollte. 
       
       Mediale Proteste treten auf. Besucherproteste haben wir in den letzten 20
       Jahren deswegen nicht erlebt. Wir hängen im Nürnberger Zoo jeden Monat eine
       Liste aus, auf der steht, welche Tiere geboren oder gestorben sind und
       welche verfüttert wurden. Davor bleiben viele Gäste stehen und gucken sich
       das unaufgeregt an. Den Nahrungskreislauf versteht jeder. Löwen fressen
       Zebras.
       
       Das sind Zumutungen, die die Deutschen bei ihren jährlich rund 40 Millionen
       Zoobesuchen ertragen müssen, auch wenn sie sich mehr über kleine Eisbären
       freuen? 
       
       In den USA wird in vielen Zoos nur noch Hackfleisch verfüttert, damit die
       Besucher nicht Knochen und Blut sehen. Das ist Disney-Welt. Wir wollen
       nicht mit Traumbildern arbeiten. In Dänemark gehören Tiersektionen – auch
       im Zoo – sogar zum Lehrplan der Schulen.
       
       Allerdings hätten auch Löwen im Zoo [2][mit der realen Welt nichts zu tun
       und dort nichts zu suchen], meint die Tierrechtsorganisation Peta. 
       
       Sie kämpft grundsätzlich für ein sogenanntes Verfügungsverbot über Tiere,
       also auch gegen die Rettung von Arten durch menschliches Eingreifen. Wir
       müssen aber immer mehr Arten aus der Natur holen, bevor sie dort
       aussterben. Dazu sind die Zoos durch EU-Recht verpflichtet. Der Planet ist
       schwer verletzt, wir verlieren eine Art nach der anderen. Gerade erwischt
       es sogar den Feuersalamander in Bayern.
       
       Warum geht es der leuchtend-gelb-gefleckten Amphibie schlecht? 
       
       Ihr wird ein Hautpilz zum Verhängnis. In den Niederlanden ist sie schon
       fast ausgerottet. Darum haben wir jetzt Feuersalamander aus dem Steigerwald
       aufgenommen, wo der Pilz vor zwei Jahren erstmals nachgewiesen wurde. Zoos
       haben auch die letzten Kondore gefangen, diese Geier wieder vermehrt und
       dadurch gerettet. Jetzt kreist der Kondor dank dieses aufwändigen
       Zuchtprogramms wieder am Himmel in seinem jetzt geschützten Lebensraum.
       Beim europäischen [3][Wisent], beim Steinbock, bei anderen Arten ist es das
       Gleiche. Sie werden Schirmarten, umbrella species, genannt, weil die Natur
       großräumig geschützt wird, damit ihre Wiederansiedlung klappt.
       
       Aber ein deutscher Zoo beherbergt im Schnitt knapp 300 Arten. Davon gehören
       auch nicht alle zu den gefährdeten Arten. Das ist am Ende doch nur ein
       Bruchteil? 
       
       Ja, wir können nicht alle Arten, die der Erde verloren gehen, retten. Aber
       außer den Zoos und wenigen Artenschutzorganisationen rettet derzeit sonst
       keiner einzelne Tierarten.
       
       27 May 2023
       
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       verfüttert.