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       # taz.de -- Zum Tod des Fotografen Arno Fischer: In seinen Augen die ganze Welt
       
       > Arno Fischer hat elegante Bilder gemacht und sich nie um Grenzen
       > geschert. Er konnte warten und andere lehren. Traurig, dass er gestorben
       > ist
       
   IMG Bild: Arno Fischer vor seinem Haus in Gransee in Brandenburg 1998.
       
       Was Sie auf seinen Bildern sehen? Die ganze Welt. Frauen. Männer. Autos.
       Häuser. Himmel. Straßen. Einen Weltstar. Leben, aufgenommen aus klugen
       Perspektiven, aufgespürt und abgelichtet, zeitlos elegant und trotzdem so,
       dass man beim Anschauen denkt: So sehe ich's auch. Unabhängig von Zeiten,
       Zuständen, Grenzen, Moden. Klassisch. Der Mann, [1][der diese Bilder
       fotografiert hat], hieß Arno Fischer. Am 13. September ist er gestorben.
       
       Fischer war jemand, den es so eigentlich nicht hätte geben können: ein
       Ostberliner Weltbürger, ein DDR-Fotograf, der unideologisiert in Moskau und
       New York arbeitete, in Brandenburg und Budapest. Der als Vorkriegskind in
       seinem Selbstverständnis überall in die Welt gehörte und dieses global
       gültige Grundwissen von Ästhetik, Bildaufbau, Moment und Licht stets
       griffbereit hatte. Auch deshalb, weil er tatsächlich etwas zu sagen,
       mitzuteilen hatte, war Arno Fischer ein guter Lehrer, bis zuletzt. Einer
       seiner Leitsätze lautete: "Bilder lassen sich nicht erzwingen, die kommen,
       wenn man sie fühlt."
       
       Gekommen ist dieses Bild von dem Auto, 1959 auf der Stalin-Allee. Ein
       bildschöner Tatra, der im Nachkriegsberlin seiner nächsten Fahrt
       entgegenatmet. Und dann: Marlene, die Dietrich, wie sie sich 1964 vor ihrem
       Moskauer Publikum verneigt. Es war eines ihrer Lieblingsbilder. Dass es
       entstanden ist, liegt daran, dass Arno Fischer geduldig gewartet hat,
       während sich die Lady auf der Bühne verneigte. Seine Kollegen standen
       derweil hinter dem Vorhang nach Close-ups an.
       
       1957 braust Nikita Chruschtschow, der sowjetische Parteichef, durch
       Ostberlin; vier Friedrichshainer warten am Bauzaun, hinter sich die
       Kriegsbrache. In Westberlin wartet die Dame darauf, den Kurfürstendamm zu
       passieren, am Alexanderplatz sitzen die Paare. Hinten raucht die Lok, die
       Ziegelsteine bringt, es riecht nach Frieden, erstem Wohlstand. Und der
       Fotograf wartet, bis die Bilder kommen.
       
       Geboren wurde Arno Fischer 1927 im Berliner Arbeiterbezirk Wedding. Er
       musste nicht in den Krieg, nicht als Soldat zumindest. Nach Kriegsende
       studierte er Bildhauerei in Ost- und Westberlin, aber es zog ihn dann zur
       Fotografie. Seine Stadt war die "wichtigste Arbeit meines Lebens", sagte
       Fischer. Seine Schwarz-Weiß-Fotos erzählen vom Alltag und den Menschen, die
       ihm innewohnen. Reportagig, propagandafrei, stilbildend. Nach dem Mauerbau
       erschien - endlich - eines seiner wichtigsten Bücher. "Situation Berlin",
       die Bilder von seiner in den Fünfzigern "geknipsten Stadt".
       
       Arno Fischer war ein großartiger Lehrer, und er war es sehr gern. Als
       Professor in Leipzig, Dortmund und Berlin hat er Generationen von
       Fotografen ausgebildet. Noch 2001, mit 74 Jahren, gründete er mit seiner
       Frau, der im letzten Jahr verstorbenen Fotografin Sybille Bergemann, eine
       eigene Fotoschule. In den letzten Jahren unterrichtete er an der Berliner
       Ostkreuzschule für Fotografie Meisterklassen. Er war ein Meisterlehrer,
       fürwahr.
       
       26 Sep 2011
       
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