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       # taz.de -- Zuschaueransturm im US-Sport: Fähre übern Rubikon
       
       > Die Fans sind zurück: Der US-Sport nähert sich mehr und mehr einem
       > Normalzustand. Das freut Golfer Phil Mickelson, Brooks Koepka weniger.
       
   IMG Bild: „Es war großartig“: Phil Mickelson wird regelrecht bedrängt von den Golf-Fans in Kiawah Island
       
       Nach über einem Jahr Corona und entsprechend harten Kontaktbeschränkungen
       kann Nähe schon mal als Zumutung, zumindest aber als unbehaglicher Akt
       empfunden werden. Wenn das alte und neue Normal kollidieren, kommt es nicht
       selten zu einer kognitiven Dissonanz, die vor allem mit der veränderten
       Risikoeinschätzung von Menschen zu tun hat, die in den vergangenen 15
       Monaten im Gegenüber gern mal den Superspreader oder den asymptomatischen
       Gefährder ausgemacht haben.
       
       Diese Wahrnehmungsverschiebung wieder neu zu justieren, ist die
       Herkulesaufgabe all derer, die an einem nicht neurotischen Umgang Interesse
       haben. Das gilt für Deutschland, aber auch für die USA, wo jetzt wieder
       viele Zuschauer in die Stadien oder auf Golfplätze strömen. Am vergangenen
       Wochenende wurde in den Staaten der Rubikon in Richtung Normalität
       endgültig überschritten. Egal auf welche Sportplätze man blickte: Man sah
       Menschen, Massen – und keine Mutationen. Man sah Trauben, Ansammlungen und
       zum Teil pickepackevolle Tribünen. Und, horribile dictu: Manche Zuschauer
       hatten nicht mal Maske auf!
       
       Der US-Sport öffnet massiv und ist offensichtlich gewillt, einen Status quo
       ante herzustellen, der in Deutschland immer noch angst- oder absichtsvoll
       von der Exekutive gemieden wird. Die US-Sportpresse begleitet den Prozess
       der Öffnung mit Wohlwollen. [1][Die Zeitung USA Today] schreibt, angesichts
       der Rückkehr der Fans und der „meist vollen Baseballstadien im ganzen Land
       schien dieses Wochenende der Moment zu sein, an dem der Sport wirklich
       zurückkam. Es war herrlich zu sehen.“ Und weiter: „Hochauflösende Fernseher
       sind großartig, aber nichts kann das Gefühl ersetzen, auf der Tribüne zu
       sitzen, um ein großes Spiel anzusehen und die Energie einer Menschenmenge
       zu spüren.“
       
       ## Verschluckter Held
       
       Derzeit laufen die Playoffs in der Basketballliga NBA, und je nach
       Bundesstaat sind mal mehr, mal weniger Zuschauer zugelassen. Immerhin zehn
       der 16 Playoff-Mannschaften dürfen vor mindestens 10.000 Fans spielen. Die
       Miami Heat, die 0:2 gegen die Milwaukee Bucks in der Best-of-Seven-Serie
       hinten liegen, können wohl sogar auf eine vollbesetzte Arena hoffen, um
       ihre Aufholjagd in Florida zu starten.
       
       Trae Young, der mit seinen Atlanta Hawks in der Serie gegen die New York
       Knicks mit 1:0 in Führung gegangen ist, ließ sich im gut gefüllten Madison
       Square Garden zu einer Topleistung anstacheln: „Ich freue mich, dass die
       Fans zurück sind“, sagte Young, obwohl die Knicks-Fans nicht zimperlich mit
       ihm umsprangen. „Ich bin froh, dass der Madison Square Garden heute
       ‚rocking‘ gewesen ist“, sagte er. Auch die Eishockey-Liga NHL spielt
       derzeit ihre Play-offs aus, und in Nashville ist zum Beispiel eine
       Auslastung der Halle von 71 Prozent erlaubt.
       
       Regelrechtes Gedränge herrschte derweil auf dem Golfplatz von Kiawah
       Island, wo die Profis am Wochenende um den Titel der PGA Championship
       putteten. [2][Altmeister Phil Mickelson], 50, gewann, und es ist
       bemerkenswert, wie dpa über das Geschehen berichtet: „Als sich Mickelson
       zum 18. Grün aufmachte, um sein historisches Werk zu vollenden, drängten
       sich Tausende enthusiastische Fans dicht an dicht an der Seite des
       Kaliforniers. Die jubelnde Masse schien ihren Helden regelrecht
       verschlucken zu wollen.
       
       Unter der tatkräftigen Mithilfe der Sicherheitsleute bahnte sich Mickelson
       mühsam den Weg aufs Grün, versenkte den Ball mit zwei Putts zum Sieg im
       Loch und krönte damit seine einzigartige Karriere.“ Während der
       charismatische Mickelson das Bad in der Menge genoss („Zuerst war es leicht
       nervig, aber dann war es großartig, eine unglaubliche Erfahrung“), fühlte
       sich der unterlegene Brooks Koepka gestört. Er beschwerte sich über
       ungestüme Fans, die keine Rücksicht auf sein lädiertes Knie genommen
       hatten. Man kann ihn verstehen, denn ein Kontaktsport war Golf auch vor
       Corona nicht.
       
       26 May 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://eu.usatoday.com/story/sports/2021/05/24/fans-return-makes-sports-feel-normal-nba-nhl-pga-championship/7421368002/
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Phil_Mickelson
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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