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       # taz.de -- Zwischenbilanz der Regierung: Merken Sie schon was?
       
       > Friedrich Merz versprach: Im Sommer spüre man, dass es im Land vorangehe.
       > Doch vieles geht nach rechts und zurück. Ein Blick ins schwarz-rote
       > Kabinett.
       
   IMG Bild: Der Reichstag im Sommer 2025: Es wehen keine Regenbogenfahnen, und die Bundeswehr feiert ihren Ersten Internationalen Veteranentag
       
       ## Der Außenkanzler
       
       „Germany is back on track“ – so hat Kanzler Friedrich Merz die Rückkehr
       Deutschlands auf die internationale Bühne angekündigt. Schluss mit Scholz
       und dem Zögern und Zaudern. „Machen, machen, machen“ scheint auch
       außenpolitisch das Motto zu sein. Berlin werde Führungsmacht in der EU sein
       und die stärkste konventionelle Armee in Europa haben, verkündete Merz
       vibrierend vor Aufbruchsenergie. Er flog nach Paris und Warschau,
       schmiedete mit Macron, Starmer und Tusk eine Koalition der Willigen. Man
       holte per Telefon Trump ins Boot und stellte Putin forsch ein Ultimatum.
       Das gab schöne Fotos und verzückte Leitartikel.
       
       Eher bescheiden ist das Ergebnis dieser Show. Putin ließ das Ultimatum
       wortlos verstreichen und lässt die Ukraine weiter in Trümmer schießen. Die
       USA sind als Ukraineunterstützer halb auf dem Absprung. Einen Plan, wie
       Europa schaffen soll, was schon mit den USA nicht gelang – die Ukraine bis
       zum Sieg aufzurüsten –, gibt es nicht.
       
       Nach J. D. Vance’ Auftritt in München war die außenpolitische Elite in
       Deutschland kollektiv aus allen Wolken gefallen. Und Merz erklärte
       entschlossen, Europa solle verteidigungspolitisch eine „Unabhängigkeit von
       den USA erreichen“. Aber das ist stillschweigend in den Hintergrund
       gerutscht. Merz hat inzwischen einen Auftritt im Oval Office ohne Blamage
       überstanden. Und hofft nun, Trump durch Aufrüstung günstig stimmen zu
       können. Es ist angenehmer, in der Illusion zu leben, dass Trump ein böser
       Traum sei, den man nur geduldig überstehen müsse, als zu verstehen, dass
       Europa allein für seine Sicherheit wird zu sorgen haben.
       
       Das Prinzip Merz lautet: markige Ankündigungen in business as usual münden
       zu lassen. Merz ermahnte Israel wegen Gaza, Außenminister Johann Wadephul
       dachte öffentlich kurz über ein Aus von Waffenlieferungen an Israel nach.
       Auch davon ist nach ein paar Wochen nichts mehr übrig geblieben. Merz lobte
       Israels völkerrechtswidrige Bombardierung des Iran als nötige
       „Drecksarbeit“. Innenminister Dobrindt schüttelte Netanjahu die Hand und
       beschwor den gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Ja zum Völkerrecht – aber
       nur, wenn es uns gerade passt. Diese Doppelmoral beschädigt das wegen Gaza
       und Israelunterstützung ohnehin ramponierte deutsche Image noch mal mehr.
       
       Schwarz-Rot hat die Möglichkeit geschaffen, fast unbegrenzt Geld in Rüstung
       und Militär zu pumpen. Eine politische Strategie aber fehlt – außer nett zu
       Trump zu sein und auf gutes Wetter zu hoffen. Merz ist inhaltlich gar nicht
       weit von Scholz entfernt ([1][transatlantisch, Israel als Staatsräson]), in
       der Performance das Gegenteil: viel Schein, wenig Sein. Merz ist der
       Außen-Kanzler für ein Publikum, das sich nur noch Überschriften merken
       kann, auf Buzzwörter wie Drecksarbeit kurz anspringt, aber auch die
       schnell wieder vergisst. Er ist der Blender, dessen Auftritt uns vergessen
       lässt, dass wir keine Ahnung haben, was Europa nach dem Untergang des
       Westens tun soll. (sr)
       
       ## Der Wehrpflichtplaner
       
       Wer nach dem 31. Dezember 2007 geboren ist, könnte demnächst Post von der
       Bundeswehr bekommen. Wenn es nach den Gesetzesplänen von
       Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht, sollen Jugendliche
       zwischen 18 und 25 Jahren ab dem 1. Januar zu einem „freiwilligen
       Wehrdienst“ eingeladen werden. Du hast keine Lust, für Deutschland eine
       Waffe in die Hand zu nehmen? Du hast gehört, dass sich auch ein halbes Jahr
       bei der Bundeswehr ziemlich lang anfühlen kann, wenn die Duschen in den
       Kasernen verschimmeln, Ausbilder*innen fehlen und es kein Gerät zum
       Üben gibt? Da hat sich das Verteidigungsministerium etwas einfallen lassen!
       Etwa 2.000 Euro netto winken künftig für deinen Einstieg bei der Truppe.
       
       Das Bundeskabinett soll Pistorius’ Pläne Ende August beschließen, dann
       könnte der Bundestag das [2][Gesetz im Herbst verabschieden]. Ziel des
       „neuen Wehrdienstes“ ist, dass die Zahl der aktiven Soldat*innen
       innerhalb von zehn Jahren von derzeit 182.500 auf 260.000 steigt –
       hinzukommen sollen 200.000 Reservist*innen. Kern des Gesetzes ist ein
       Fragebogen, in dem junge Männer ihre Haltung zur Bundeswehr benennen müssen
       und je nach ihren Aussagen dann zur Musterung geladen werden, zu der sie
       dann auch erscheinen müssen. Für junge Frauen soll die Antwort auf das
       Schreiben der Bundeswehr freiwillig sein.
       
       Falls Geld und Appelle an die Kriegsbereitschaft nicht genug junge Menschen
       für einen Dienst an der Waffe motivieren, sehen Pistorius’ Pläne noch einen
       anderen Weg vor. Eine militärische Lage oder das Nichterreichen der
       gewünschten Truppenzahl könnte für junge Männer [3][auch die Reaktivierung
       des Zwangsdienstes bedeuten]. Für so einen Fall müsste das Parlament erneut
       zustimmen.
       
       Pistorius ist mit seinem Gesetzentwurf eine Art Overachiever in der
       Bundesregierung, die in ihrem Koalitionsvertrag den „attraktiven
       Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“, versprochen hatte.
       Allerdings hatte der Verteidigungsminister seinen Entwurf auch schon im
       vergangenen Herbst vorbereitet und wurde vom Auseinanderbrechen der
       Ampelregierung aufgehalten. (cem)
       
       ## Der Rückführungsminister
       
       Man darf davon ausgehen, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
       seine ersten Monate im Amt als Erfolg wahrnimmt. Und das im Wahlkampf
       ausgegebene Ziel einer „Asylwende“ hat der CSU-Mann ja auch wirklich mit
       einer bemerkenswerten Effizienz vorangetrieben. Die von ihm angeordnete
       Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen ist ein
       dramatischer Bruch in der deutschen Migrationspolitik.
       
       Aber ist es wirklich ein Erfolg, wenn deutsche Polizist*innen jetzt
       verzweifelte Menschen auf der Flucht vor Unterdrückung und Terror
       abweisen? Wenn die Bundesregierung damit offen das Europarecht bricht, das
       vorsieht, dass jeder Asylantrag geprüft werden muss? Wenn das deutsche
       Vorgehen [4][die Nachbarstaaten vor den Kopf stößt] und etwa in Polen den
       rechtsextremen Kräften Aufwind verschafft?
       
       Zu solchen Fragen kommt außerdem noch der Umstand, dass die Zurückweisungen
       bisher hauptsächlich eine symbolische Wirkung haben. Nur wenig mehr als 300
       Asylsuchende wurden bisher zurückgeschickt.
       
       Genauso zweifelhaft ist der „Erfolg“, dass jetzt die Zahl neuer Asylanträge
       im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 Prozent sank – selbst wenn man
       Dobrindts Logik übernimmt, nach der es eine positive Entwicklung ist, dass
       so viel weniger Menschen hier Schutz finden. Denn der Rückgang hat laut
       einhelliger Meinung von Expert*innen vor allem mit der Stabilisierung
       der Lage in Syrien zu tun und mit den massiven Verschärfungen des
       Asylrechts, die Dobrindts Amtsvorgängerin Nancy Faeser (SPD)
       durchgesetzt hatte.
       
       Eigene Gesetzesvorhaben hat Dobrindt zwar ebenfalls schon in beachtlicher
       Zahl angeschoben, im Vergleich zu den Zurückweisungen fanden sie aber eher
       wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei könnte ihre Wirkung am Ende sogar
       deutlich mehr Geflüchtete treffen. Gerade am Donnerstag beriet der
       Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf aus seinem Ministerium
       zur erleichterten Einstufung von Ländern als sogenannte sichere
       Herkunftsstaaten. Darüber soll künftig die Bundesregierung allein
       entscheiden können, ohne dass der Bundestag oder Bundesrat irgendwie
       eingebunden wären. Wer aus [5][angeblich sicheren Herkunftsstaaten] kommt,
       hat kaum Chancen auf Asyl in Deutschland.
       
       Auch einen ersten Entwurf für die Anpassung des deutschen Rechts an die
       Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aus dem letzten Jahr gibt
       es schon. Dabei will das BMI die von den EU-Regeln vorgegebenen Spielräume
       bis zum Maximum ausreizen. So sollen möglichst viele Schutzsuchende den
       beschleunigten Asylverfahren an Flughäfen unter Haftbedingungen unterworfen
       werden. Außerdem erlaubt der Entwurf Haftzentren für Geflüchtete, deren
       Asylantrag eigentlich in die Zuständigkeit anderer EU-Länder fällt. Solchen
       Personen sollen dann auch alle staatlichen Leistungen gestrichen werden
       können, auch dann, wenn sie gar keine Option haben, in das eigentlich
       zuständige Land auszureisen.
       
       Und die von Dobrindt [6][vorangetriebene zweijährige Aussetzung des
       Familiennachzugs für Personen mit subsidiärem Schutz] ist sogar schon vom
       Bundestag beschlossen worden. Hunderttausende Geflüchtete haben damit
       vorerst keine Perspektive mehr, ihre Liebsten wiederzusehen. Es braucht
       schon eine beachtliche Gefühlskälte, um darin einen Erfolg zu sehen. (fe)
       
       ## Der Möchtegerninvestitionsminister
       
       Als Finanzminister hat Lars Klingbeil nach neun Wochen bereits mehr
       erreicht als sein Vorgänger Christian Lindner. Er hat [7][einen Haushalt
       mit Rekordausgaben] von einer halben Billion Euro aufgestellt, macht – da
       die Einnahmen nicht reichen – Rekordschulden von rund 82 Milliarden Euro.
       Und all das ganz ohne Hilfe des Bundeskanzlers. Anders als Lindner, dessen
       Haushalte am Ende Olaf Scholz ausknobelte.
       
       Allerdings hat Klingbeil es auch etwas leichter als Lindner. Dieser pochte
       auf strikte Begrenzung der Neuverschuldung nahe null (Schuldenbremse) und
       wollte Steuern senken und damit die Einnahmen für den Staat bei steigendem
       Bedarf an Investitionen in Rüstung und Infrastruktur – eine Rechnung, die
       am Ende nicht aufging, auch nicht für die Ampelkoalition.
       
       Um einer Bruchlandung vorzubeugen legte Hobbypilot Friedrich Merz gleich
       nach dem Wahlsieg und noch vor Amtsantritt eine spektakuläre Kehrtwende
       hin: vom Bewahrer der Schuldenbremse zum Befürworter von Abermilliarden an
       neuen Schulden. Damit schwenkte er elegant auf den Kurs von SPD, Grünen und
       Linken ein, den er als Oppositionsführer heftigst kritisiert hatte. Das
       nennt man wohl anpassungsfähig.
       
       Dank der vom Bundestag beschlossen Ausnahmeregelung, die für einen großen
       Teil der Verteidigungsausgaben, den Zivilschutz, aber auch für die
       Ukrainehilfen gilt, und neuer Sonderschulden für die Infrastruktur darf
       Vizekanzler und Finanzminister Klingbeil also richtig buttern. Er nannte
       während der Haushaltsdebatte im Bundestag deshalb gleich einen neuen Namen
       für sein Ministerium: Investitionsministerium. Denn allein in diesem Jahr
       investiere man 115 Milliarden Euro – in Schienen und Schulen, aber vor
       allem in Schießgewehre. Über die größte Steigerung im Etat darf sich
       Verteidigungsminister Pistorius freuen, dessen Haushalt um zehn Milliarden
       auf 62 Milliarden steigt.
       
       Trotz des neuen Füllhorns – Schulden – reicht das Geld nicht, wie der
       Streit über die Stromsteuer zeigt. Die CSU wollte unbedingt die
       Mütterrente, die SPD eine Garantie des Rentenniveaus und Merz einfach
       Ruhe im Karton. Also musste Klingbeil die im Koalitionsvertrag
       [8][versprochene De-facto-Abschaffung der Stromsteuer für die
       Bürger:innen wieder abblasen]. Und zusätzlich noch sparen. Bis 2029
       sehen seine Beamten einen „Handlungsbedarf“ wegen 144 Milliarden Euro,
       sprich, die müssen irgendwo gekürzt werden. In diesem Jahr geht’s schon
       los, etwa mit zweistelligen Millionenbeträgen bei der Kinder- und
       Jugendhilfe, erneut einer Milliarde bei der Entwicklungshilfe, und die
       humanitäre Hilfe wird halbiert. Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan
       (SPD) nannte die Kürzungen hart und schmerzhaft und kann sie beim besten
       Willen nicht erklären: Angesichts der tektonischen Verschiebungen und der
       sich verändernden Lage in der Welt müsse Deutschland doch ein verlässlicher
       Partner bleiben.
       
       Tja, offenbar kann der Parteichef Lars Klingbeil auch vielen potenziellen
       Wähler:innen gerade nicht erklären, warum die SPD unbedingt das
       Finanzministerium besetzen musste. Die Sozialdemokraten liegen in Umfragen
       bei 13 Prozent. (ale)
       
       ## Die Fossilministerin
       
       Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bis zur Sommerpause
       systematisch Duftmarken gesetzt und klar gemacht, wohin die Reise mit ihr
       gehen wird. Die Christdemokratin hat im Kabinett die Rolle von Christian
       Lindner übernommen und das Erbe der destruktiven FDP angetreten. Schon
       während ihres Antrittsbesuchs in Frankreich irritiert sie den
       Koalitionspartner SPD, als sie die Atomkraft lobt und den Eindruck
       hinterlässt, die Bundesregierung habe ihre Position zu der Frage geändert,
       ob EU-Gelder für neue AKWs fließen sollten.
       
       Für Verstörung sorgt auch ihre Teilnahme an einem Treffen der Europäischen
       Nuklearallianz, eines 2023 gegründeten Zusammenschlusses von elf
       EU-Ländern, die die Nutzung der Atomenergie voranbringen wollen.
       Deutschland gehört nicht dazu, die Koalition hält am Ausstieg aus der
       Atomkraft fest.
       
       Das Misstrauen der Opposition und vieler Umweltverbände und NGOs gegen
       Reiche ist groß, weil sie bis zu ihrem Amtsantritt Chefin eines
       Tochterunternehmens des Energiekonzerns Eon war. Ihre Kritiker:innen
       fürchten, dass sie im Interesse der fossilen Energiebranche unterwegs ist.
       In ihrem [9][Vorstoß für den massiven Ausbau von Gaskraftwerken,] die nicht
       auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen, sehen viele eine Bestätigung dieser
       Befürchtung. Der Kraftwerksbau ist wichtig, damit der Kohleausstieg nicht
       gefährdet wird. Aber Umweltschützer:innen halten Reiches Pläne für
       überdimensioniert und fürchten ein Festschreiben fossiler Strukturen. Das
       ficht die Ministerin nicht an.
       
       Doch offenbar läuft es nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat.
       Unmittelbar nach Amtsantritt spricht Reiche noch von einem Ausbau der
       Kapazitäten von „mindestens“ 20 Gigawatt, einige Woche später nur noch von
       „bis zu“. Dazwischen liegt ein Besuch bei der EU-Kommission.
       EU-Vizekommissionschefin Teresa Ribera, früher sozialistische
       Umweltministerin in Spanien, sperrt sich auch mit Blick auf die
       europäischen Klimaziele gegen die Pläne.
       
       Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD zu dem Ziel bekannt, dass
       Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Auf einem Kongress des
       Bundesverbands der Deutschen Industrie relativiert Reiche das. Sie ist
       für eine Angleichung an die Marke der EU, die Klimaneutralität bis 2050
       vorsieht. Aber in die europäische Vorgabe ist eingepreist, dass Deutschland
       als wirtschaftlich stärkstes Land schon 2045 klimaneutral geworden sei.
       Eine Verschiebung hier würde zu einer Verschiebung dort führen.
       
       Bei der Amtsübernahme lobt Reiche ihren Vorgänger Habeck überschwänglich
       als guten Krisenmanager. Wenig später rammt sie seine Energiewende in Grund
       und Boden. Die Energiewende nennt sie „völlig überzogen“. Mit Sorge blicken
       Grüne, Umweltverbände und Klimaaktivist:innen auf das Projekt, dass
       die Basis für Reiches weiteres Vorgehen sein soll: das Energiemonitoring.
       Damit will die Ministerin, die am 16. Juli ihren 52. Geburtstag feiert, die
       Energiewende einem „Realitätscheck“ unterziehen.
       
       Ursprünglich sollte das Ergebnis bereits vor der Sommerpause vorliegen.
       Doch [10][Reiche hat es erst Ende Juni geschafft, den Auftrag dafür zu
       vergeben]. Und zwar ausgerechnet an das Energiewirtschaftliche Institut an
       der Universität Köln (EWI), das ursprünglich von fossilen Energiekonzern
       RWE und Eon finanziert wurde. Eine entscheidende Größe für den Ab- oder
       Ausbau der Energiewende ist der künftige Strombedarf, den die Gutachtenden
       prognostizieren. Setzen sie ihn gegenüber der von der Ampelregierung
       angenommenen Menge herunter, könnte der Ausbau der Erneuerbaren
       eingeschränkt werden.
       
       Genau diesen Auftrag hat das Institut de facto bekommen, sagt die Deutsche
       Umwelthilfe (DUH), die die Leistungsbeschreibung für das Gutachten bekommen
       und ins Internet gestellt hat. „Katherina Reiche hat ideologische
       Scheuklappen auf“, sagt der Bundesgeschäftsführer der DUH, Sascha
       Müller-Kraenner. Das Gutachten soll Ende August vorliegen. Danach wird
       Reiche ihre Pläne für die Zukunft der Erneuerbaren vorlegen – und das
       Ringen um die Zukunft der Energiewende beginnen. (akr)
       
       ## Die Ministerin der Herzen
       
       Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) muss ausführen, was vor
       allem Herzensanliegen der Union sind. Zum Beispiel die [11][Reform des
       Bürgergelds]. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Milliarden Euro an
       Einsparungen beim Bürgergeld in den nächsten Jahren versprochen, aus dem
       SPD-Finanzministerium kursierten unlängst die Zahl von 4,5 Milliarden Euro
       an Einsparungen in den kommenden zwei Jahren. Das Problem: Es ist sehr
       unwahrscheinlich, dass diese Einsparungen durch etwas mehr Sanktionen der
       Jobcenter gegen Terminsäumige, durch niedrigere Freibetragsgrenzen bei
       Vermögen und eine Limitierung der Übernahme hoher Wohnkosten für
       Antragssteller:innen zustande kommen.
       
       Auch die Abschaffung des Bürgergelds für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
       dürfte nach Schätzung von Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für
       Arbeit, nur 900 Millionen Euro Einsparungen bringen. Ukrainer:innen, die
       nach dem 1. April 2026 einreisen, sollen in den ersten Jahren nur noch die
       niedrigeren Leistungen für Asylbewerber:innen erhalten. Einen
       Gesetzentwurf zum Bürgergeld hat Bas noch für dieses Jahr angekündigt.
       Neues Geld verteilt die Sozialministerin wohl vor allem durch die 4
       Milliarden Euro teure [12][Erweiterung der Mütterrente] ab 2027. Das ist
       ein Herzensanliegen der CSU. (bd)
       
       ## Die Ungesundministerin
       
       Als Gesundheitsministerin musste sich die Juristin Nina Warken (CDU) erst
       einmal einarbeiten, ihr Ressort gilt als besonders komplex. Zum Einstieg
       ging es für sie aber nicht um zukunftsgerichtete Reformen, sondern um
       Rückblick: Warken beschäftigt der Untersuchungsbericht zu den
       milliardenschweren [13][Maskendeals ihres Vorgängers und Fraktionschefs
       Jens Spahn]. Trotz Kritik auch vom Koalitionspartner hält Warken zum
       Parteifreund und attackiert lieber [14][SPD-Sonderermittlerin Margaretha
       Sudhof]. Das sorgt für ein Knirschen in der Koalition. Dabei stehen im
       Gesundheitsbereich große Reformen an.
       
       Die Kassen sind leer, sowohl die der sozialen Pflegeversicherung als auch
       die der gesetzlichen Krankenkassen, Kosten und Beiträge steigen.
       [15][Reformen] werden seit Jahren verschleppt, weil sie so kompliziert
       sind. Eine Kommission aus Bund, Ländern und Kommunen soll jetzt als Erstes
       Vorschläge einer Pflegereform erarbeiten, mit einem straffen Zeitplan.
       Schon Ende des Jahres sollen die Ergebnisse kommen. Wie die Reform dann
       aussehen wird, ist noch offen. Warken will der Kommission jedenfalls keine
       „Denkverbote“ erteilen. In welche Richtung sie selbst denkt, hat sie schon
       klargemacht: Bürger*innen sollen mehr privat vorsorgen, eine
       verpflichtende Zusatzversicherung ist möglich. Und auch über
       Leistungskürzungen wird nachgedacht. (lf)
       
       ## Die Schnellbauministerin
       
       Mit Worten ist Verena Hubertz (SPD) schon vorgeprescht. Bauen soll
       schneller und billiger werden. Mit dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf,
       dem [16][sogenannten Bauturbo], will sie den lahmenden Wohnungsbau wieder
       ankurbeln. Das sei die dringend benötigte „Brechzange“, um die Verfahren in
       den Kommunen zu beschleunigen, erklärte sie. Die Planungszeit soll künftig
       nur noch zwei Monate dauern. Die Baukosten sollen sich halbieren. Abgesehen
       von den berechtigten Sorgen – Spekulation, Naturzerstörung und
       eingeschränkter Bürgerbeteiligung –, sind das waghalsige Versprechen.
       
       7,4 Milliarden Euro Etat hat das Bauministerium in diesem Jahr. Davon
       fließen 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Die Mittel werden
       in den Folgejahren schrittweise erhöht. Die Regierung nennt das
       Rekordmittel, der Deutsche Mieterbund hält aber 12,5 Milliarden pro Jahr
       für nötig. Er kritisiert auch, dass aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen
       für Infrastruktur bis 2029 nur 11 Milliarden Euro für den Wohnungsbau
       vorgesehen sind – das sind nur 2 Prozent. Was wird sich also in diesem Jahr
       spürbar verändern? Vermutlich wenig. Baupolitik lässt sich nicht in
       schnellen Erfolgen messen. Umso trauriger, dass in der Mietenpolitik so
       wenig passiert. Zwar wurde von der zuständigen Justizministerin Stefanie
       Hubig (SPD) die Mietpreisbremse um vier Jahre bis 2029 verlängert. Weitere
       Verbesserungsvorschläge im Mietrecht müssen aber noch ausgehandelt werden.
       (jak)
       
       11 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Hannovers OB Belit Onay: „Bund und Länder prellen regelmäßig die Zeche“
       
       13 Oberbürgermeister haben einen Brandbrief an Bund und Länder geschrieben,
       weil ihnen das Geld ausgeht. Der Rathauschef von Hannover ist einer davon.
       
   DIR Haushaltsentwurf für 2026: Die Staatseinnahmen reichen nicht
       
       So schlecht ist der neue Bundeshaushalt nicht. Doch solange Steuern für
       Vermögende nicht steigen, bleibt das Finanzloch bestehen.
       
   DIR Kürzungen bei NGOs: Ohne Rückgrat
       
       Die Bundesregierung kürzt die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit.
       Gleichzeitig setzt sie auf Kriegstüchtigkeit – ein fatales Signal.
       
   DIR SPD kritisiert Ministerin Reiche: Ärger über Auftrag für Energie-Monitoring
       
       Die Aufgabenbeschreibung für das Energie-Monitoring verstößt gegen den
       Koalitionsvertrag. Das wirft SPD-Energieexpertin Scheer Ministerin Reiche
       vor.
       
   DIR Grund für Scheitern: Unions-Probleme verhindern Wahl
       
       Weil 50 bis 60 Abgeordnete der CDU/CSU von der Linie der Fraktion abweichen
       wollten, wurde die Wahl der drei Verfassungsrichter:innen vertagt.
       
   DIR Regierungskoalition: Was kann Schwarz-Rot?
       
       Der Kanzler demonstriert Entschlossenheit – eine Strategie für Europa,
       Nahost, Ukraine ist aber nicht zu erkennen. Zeit für eine Zwischenbilanz.
       
   DIR Schwarz-rotes Stromsteuer-Fiasko: Vertrauen im Eiltempo verspielt
       
       Mit der Kehrtwende bei der Stromsteuer haben Merz und Klingbeil großen
       politischen Schaden angerichtet – und konnten ihn nicht mal gut begründen.
       
   DIR Friedrich Merz' Queerfeindlichkeit: „Zirkuszelt“-Aussage erntet Kritik
       
       Selbst aus den eigenen Reihen erntet der Kanzler Kritik. Zwei
       Bundestags-VizepräsidentInnen kündigten an, den Berliner CSD zu eröffnen.