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       # taz.de -- documenta 15 in Kassel: Banner ist weg, Streit geht weiter
       
       > Die Debatte um das antisemitische Großbanner, das bei der documenta zu
       > sehen war, setzt sich fort. Nun hat sich der Bundeskanzler zu Wort
       > gemeldet.
       
   IMG Bild: An diesem Gerüst hing das Banner „People's Justice“ des indonesischen Kollektivs Taring Padi
       
       Die Debatte um den Skandal bei der [1][Kasseler Kunstschau documenta] geht
       unvermindert weiter. Wie am Mittwochabend bekannt wurde, bleibt
       Bundeskanzler [2][Olaf Scholz] (SPD) aufgrund des zunächst als Teil der
       Ausstellung gezeigten Hauswand-großen Wimmelbilds „People's Justice“ vom
       indonesischen Künstlerkollektiv Taring Pad, auf dem eine antisemitische
       Bildsprache zu sehen war, der 15. Ausgabe fern.
       
       Das Werk zeigte unter anderem einen Soldaten mit Schweinsgesicht. Er trägt
       ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift
       „Mossad“ – die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Diese
       fratzenhaften Darstellungen lösten heftige Kritik aus.
       
       Wie eine Regierungssprecherin der Jüdischen Allgemeinen mitteilte, sei der
       Bundeskanzler der Ansicht, dass „in Deutschland kein Platz für
       antisemitische Darstellungen“ sei, „auch nicht in einer Kunstausstellung.“
       Nach eigenen Angaben habe Olaf Scholz bislang jede der documenta-Schauen
       der vergangenen 30 Jahre besucht.
       
       ## Systematische Untersuchung der Exponate
       
       Die documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann hat nun wegen des
       Antisemitismus-Skandals eine systematische Untersuchung der
       Kunstausstellung auf „weitere kritische Werke“ angekündigt. „Dabei wird
       auch Ruangrupa seiner kuratorischen Aufgabe gerecht werden müssen“, sagte
       sie in einem Interview der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
       Das indonesische Kollektiv Ruangrupa kuratiert die documenta fifteen.
       Unterstützt werde die Gruppe nun von anerkannten Experten wie [3][Meron
       Mendel] von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.
       
       „Es ist nicht Aufgabe der Geschäftsführung, alle Werke vorab in Augenschein
       zu nehmen und freizugeben“, erklärte Schormann. „Das würde dem Sinn der
       documenta widersprechen.“ Es könne daher auch nicht sein, die Kunst
       beispielsweise einem Expertengremium im Vorfeld zur Freigabe vorzulegen.
       Dies sei eine Kernaufgabe der Künstlerischen Leitung.
       
       Ein als antisemitisch eingestuftes Kunstwerk des indonesischen Kollektivs
       Taring Padi war abgebaut worden, nachdem es von Samstag bis Dienstag auf
       der documenta an einem Haus zu sehen war. Schormann kündigt nun eine
       Gesprächsreihe zu dem Thema an. Außerdem solle es einen „Begegnungsstand“
       am Friedrichsplatz in Kassel geben – mit der Bildungsstätte Anne Frank und
       anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Am Friedrichsplatz war das Werk
       aufgestellt, bevor es verhüllt und am Dienstag schließlich abgebaut wurde.
       
       ## Muss das die Welt ertragen?
       
       Anders urteilt der Vorsitzende des documenta-Forums, Jörg Sperling. Er hat
       die Entfernung des als antisemitisch kritisierten Kunstwerks auf der
       Kasseler Kunstausstellung kritisiert. „Eine freie Welt muss das ertragen“,
       sagte er. Der Antisemitismus-Vorwurf begleite die documenta fifteen seit
       Anfang des Jahres.
       
       Das Werk sei am Dienstag „auf politischen Druck hin“ abgehängt worden. Es
       gehe in dieser Debatte um Politik, nicht um Kunst. Das Bild sei eine
       Karikatur und seiner Meinung nach von der Kunstfreiheit gedeckt. „Die Kunst
       hat ein Thema aufgebracht, das außerhalb der Kunst liegt: das Verhältnis
       von Palästinensern und Israelis. Dieses Problem kann die Kunst nicht lösen,
       das kann auch die documenta nicht lösen.“
       
       Forderungen, die ausgestellten Kunstwerke hätten vorab überprüft werden
       müssen, lehnt Sperling kategorisch ab. „Das wäre Zensur.“ Angesichts der
       Menge der ausgestellten Objekte an mehr als 30 Standorten sei das zum einen
       nicht leistbar. Zum anderen widerspreche es der Idee der documenta.
       
       Mit dem indonesischen Kollektiv Ruangrupa habe man sich in diesem Jahr
       bewusst dafür entschieden, eine andere Sicht auf Kunst und Kultur
       einzuladen: kollektiv, aus dem globalen Süden, abseits des Kunstmarkts.
       „Nun muss man auch aushalten, dass diese Menschen einen anderen Blick auf
       die Welt haben.“ (mit Material von dpa)
       
       23 Jun 2022
       
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