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       # taz.de -- padeluun über mächtige Tech-Konzerne: „Man muss Google zerschlagen“
       
       > Nur ohne Tech-Giganten ist eine Gesellschaft möglich, in der die digitale
       > Vernetzung nicht zu einer permanenten Gefahr wird, sagt Digitalexperte
       > padeluun.
       
   IMG Bild: padeluun 2018 bei einer Demonstration in Düsseldorf
       
       taz am wochenende: padeluun, ist ein Leben ohne Google möglich?
       
       padeluun: Ja, das ist tatsächlich möglich. Allerdings muss, wer das machen
       will, ziemliche Anstrengungen unternehmen, damit Google die Finger von ihm
       lässt. Und es gibt immer wieder Überraschungen: Zum Beispiel habe ich
       kürzlich festgestellt, dass das Navigationssystem des Autos, das ich hin
       und wieder verwende, auch Inhalte über Google holt.
       
       Google steckt also in mehr drin, als man von außen sieht? 
       
       Ja, absolut. Zum Beispiel bauen Start-ups ständig irgendwelche Google-Codes
       in ihre Anwendungen mit rein. Das heißt: Selbst wenn man es schafft, aktiv
       keine Google-Dienste zu nutzen, geben Betreiber von Apps oder Webseiten
       trotzdem persönliche Daten an den Konzern weiter.
       
       Google gibt es seit fast 25 Jahren, am 10. Oktober 2001 hat das Unternehmen
       sein erstes Büro in Deutschland eröffnet. Bedeutet das für uns als
       Gesellschaft, dass wir an einem Unternehmen nicht mehr vorbeikommen, wenn
       es einmal so zentral geworden ist? 
       
       Google – oder sein Mutterkonzern [1][Alphabet] – ist ein Werbeunternehmen.
       Die Suchmaschine ist dabei nur eine Möglichkeit von vielen, Daten zu
       sammeln. Und das Problem ist: Wir haben als Gesellschaft bislang nicht
       verstanden, welche Gefahr diese digital vernetzte Welten bergen.
       
       Und zwar? 
       
       Wir erzeugen laufend digitale Spuren. Je mehr von diesen Spuren ein
       Unternehmen bei sich aggregiert, desto mehr Macht hat es. Denn mit diesen
       umfangreichen Datensätzen hat es die Möglichkeit, etwa durch Werbung oder
       politische Botschaften, manipulativ in das Leben aller einzugreifen. Und
       weil die Auswertung dieser digitalen Spuren Geld und Know-how voraussetzt,
       gilt: Je größer und mächtiger das Unternehmen, desto mehr kann es aus
       diesen Daten machen – und desto größer und mächtiger wird es wiederum.
       
       Woran machen Sie fest, dass wir als Gesellschaft diese Gefahr nicht
       verstanden haben? 
       
       Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Mitglieder zum Beispiel der ADAC
       hat – und wie viele Mitglieder Verbände haben, die sich für digitale
       Bürgerrechte einsetzen.
       
       Nun ist die Gefahr, mit dem Auto liegen zu bleiben, für die meisten
       Menschen vermutlich etwas unmittelbarer als, sagen wir, digitaler
       Identitätsdiebstahl. 
       
       Vielleicht, aber andererseits sind etwa die Beratungsstellen für
       Stalkingopfer voll von Menschen. Und ich sehe auch, dass viele Menschen
       mittlerweile begriffen haben, dass etwa Facebook ein Problem ist. Was
       fehlt: die Einsicht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Man muss Facebook
       verbieten, man muss Google zerschlagen. Nur so können wir zu einer
       Gesellschaft kommen, in der die digitale Vernetzung nicht zu einer
       permanenten Gefahr wird.
       
       Wer soll das machen, das Verbieten und Zerschlagen? 
       
       Das wäre am ehesten die EU, optimalerweise angetrieben von der
       Bundesregierung. Aber auch Weltorganisationen wie die UNO oder globale
       Handelsorganisationen müssen aktiv werden. Wohin zu viel Marktmacht führen
       kann, haben wir ja sehr anschaulich diese Woche gesehen: Ein Fehler bei
       Facebook, und gleich sind Facebook samt Instagram und Whatsapp stundenlang
       [2][vom Netz.] Alles andere lief weiterhin. Aber viele Menschen haben
       geglaubt, dass das Internet down sei.
       
       Was würde nach einer Zerschlagung passieren? 
       
       Natürlich braucht es ein Konzept für die Zeit danach, und das heißt
       Dezentralisierung. Man kann das gut am Beispiel einer Stadt deutlich
       machen, nehmen wir Bielefeld. Das ist schon eine Großstadt, etwas über
       300.000 Einwohner:innen. In einer Stadt dieser Größenordnung sollte es
       mindestens zehn Unternehmen geben, die digitale Infrastruktur
       bereitstellen, Support anbieten und unter denen ich als Nutzer.in auswählen
       kann, wem ich meine Daten anvertrauen will, wenn das nötig ist. Wir
       brauchen also eine Bandbreite von kleineren Unternehmen, damit
       Verbraucher:innen eine Wahl haben. Wir brauchen demokratische Prozesse
       für den Aufbau einer Netzgesellschaft. Wir brauchen Menschen, die willens
       sind, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich nicht denken, ach,
       die Cloud wird es schon richten. Wir brauchen Bildung für alle
       Altersgruppen, um wirklich zu einer digitalen Kommunikationsgesellschaft zu
       kommen, weg von dem Info-Alete-Brei, in dem wir gerade herumpaddeln. Und
       wir müssen über Geld reden. Wie können wir für Inhalte zahlen, digital,
       einfach und anonym?
       
       Und wir kommen wir dahin? 
       
       Zum einen mit Regeln, zum Beispiel zur erlaubten Marktmacht von
       Unternehmen. Zum anderen durch schlaue staatliche Grundlagen. Nehmen wir
       das Beispiel Suchmaschine: Es gibt ja immer wieder Politiker:innen, die
       sich ein „deutsches oder europäisches Google“ wünschen. Das ist natürlich
       Quatsch, denn damit wäre das Problem auch nicht gelöst. Was aber helfen
       würde, wäre der Aufbau eines europäischen Suchindex. Das ist ein
       kostspieliges Unterfangen, daher braucht es dafür vermutlich eine
       überstaatliche Kooperation. Ein Suchindex ist noch keine Suchmaschine, aber
       darauf können Menschen zugreifen, die Suchmaschinen programmieren.
       Suchmaschinen, die zum Beispiel Teil einer App sind oder eines Dienstes und
       die dann natürlich nicht ihre Nutzer:innen auf jeden Klick tracken.
       
       Ohne Verbote geht es nicht? 
       
       Ganz offenbar nicht. Wir müssen etwa überlegen: Wollen wir erlauben, dass
       Websites die Daten von Nutzer:innen an zigtausende Unternehmen schicken?
       Oder sagen wir: Nein, Tracker, die auf Webseiten unsere Daten abgreifen und
       weiterleiten, darf es nicht geben. Das kann man als Gesetz beschließen. Und
       dann fiele auch für Google einiges an Möglichkeiten weg, Daten
       einzusammeln, die wir ihnen eigentlich nicht geben wollen.
       
       Und warum wollen Sie dann einige Unternehmen gleich ganz verbieten lassen? 
       
       Ein Beispiel: Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat angekündigt, gegen
       Behörden vorzugehen, die auf Facebook sind. Und was passiert? Die gehen
       teilweise zu Instagram. Instagram! Eine Plattform, auf der man noch nicht
       mal Links nach draußen setzen kann, ein völlig abgeschottetes System.
       Gleichzeitig lassen wir Kinder darauf. Auf eine Plattform, deren
       Algorithmus einen abwertet, wenn man auf einen Post keine Antwort von
       seinen „Friends“ bekommt. Das erzeugt brutalen Druck. Es sind
       verbrecherische Systeme, denen auch die meisten Erwachsenen gar nicht
       gewachsen sind. Deshalb bin ich hier ein Verbieter.
       
       Nehmen Sie die Nutzer:innen komplett aus der Verantwortung? 
       
       Jein. Jede und jeder Einzelne hat eine Gestaltungsmöglichkeit und einen
       Einfluss. Aber als jemand, der sich rund um die Uhr mit diesem Thema
       beschäftigt, sehe ich, wie komplex das ist. Für jemanden, der Kinder hat
       und einen Job und ein Leben, kann das schnell zu viel werden.
       
       Dann machen wir kurz einen niedrigschwelligen Service: Ich nenne einen
       Google-Dienst, und Sie sagen, welche Alternative Sie empfehlen: die
       Google-Suchmaschine. 
       
       Wir empfehlen aktuell [3][Metager].
       
       Google Maps. 
       
       [4][Open Street Map]. Da kann man auch selber mitmachen und etwa Fehler
       korrigieren. Macht viel Spaß.
       
       Das Smartphone-Betriebssystem Android. 
       
       Das Fairphone, das hat das Open-Source-System [5][/e/] drauf.
       
       Gmail. 
       
       [6][Posteo] oder [7][Mailbox.org.]
       
       Der Chrome-Browser. 
       
       [8][Chromium.] 
       
       Derzeit laufen Sondierungsgepräche im Bund. Was würde eine Ampel-Koalition
       für die Digitalisierung und unsere Privatsphäre bedeuten? Und was hätte bei
       Jamaika besser sein können? 
       
       Ich befürchte, es würde gar keinen großen Unterschied machen.
       Digitalisierung wird auch von Digitalpolitiker:innen nicht so ernst
       genommen, wie es eigentlich notwendig wäre. Das hat auch damit zu tun, dass
       ihre Parteien nicht entsprechend hinter ihnen stehen.
       
       Also, selbst falls jemand mit guten Ideen in der Regierung sitzt, wird er
       oder sie die wahrscheinlich nicht umsetzen können? 
       
       Das befürchte ich.
       
       Was würden Sie der neuen Regierung denn ganz oben auf die Prioritätenliste
       schreiben? 
       
       Das ist so vieles … Wenn ich gewichten muss, würde ich sagen: Das
       Wichtigste ist der Punkt, über den wir die ganze Zeit gesprochen haben:
       Konzernmacht zu beschränken. Aber ich muss noch einen zweiten nennen, der
       damit zusammenhängt: digitales Bargeld, mit dem man anonym im Internet
       Kleinbeträge zahlen kann. Wenn wir von einer Welt wegwollen, in der wir mit
       Daten zahlen, dann muss das mit Geld passieren. Und dafür brauchen wir
       endlich die Grundlagen.
       
       9 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Google-Konzern-Alphabet/!5687876
   DIR [2] /Facebooks-Totalausfall/!5801505
   DIR [3] https://metager.de/
   DIR [4] https://www.openstreetmap.de/
   DIR [5] https://www.pro-linux.de/news/1/27588/open-source-mobilbetriebssystem-e-ausblick-auf-2020.html
   DIR [6] https://posteo.de/de
   DIR [7] https://mailbox.org/en/
   DIR [8] https://www.chromium.org/getting-involved/download-chromium
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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