# taz.de -- DOSSIER: SÖLDNER UND PRIVATPOLIZISTEN: Das Afrika der Vaterlandslosen
> Seit jeher waren in Afrika Söldner beteiligt, wann immer es darum ging,
> eskalierende Konflikte einzudämmen oder von Rebellen bedrängte Diktatoren
> zu stützen. Früher hielten sich diese „Soldiers of fortune“ für Kämpfer
> gegen den Kommunismus, heute geht es nur noch ums Geld.Von PHILIPPE
> LEYMARIE *
MÄRZ 2004: Eine in Südafrika gestartete Boeing 727 wird in Harare am
Weiterflug gehindert. Die hundert Kämpfer, die sich an Bord befinden,
wollten in Simbabwe ein Waffenarsenal zuladen. Die „Köpfe“ der Operation,
der britische Exoffizier Simon Mann und der Südafrikaner Nick du Toit –
vormals die Chefs von Executive Outcomes, der größten privaten
Sicherheitsfirma in Afrika[1]– wollten für ihre Dienste angeblich 1 Million
US-Dollar. Als einer der möglichen Vermittler in diesem Geschäft wird Mark
Thatcher, Sohn der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher,
verhaftet und unter Anklage gestellt. Offenbar gibt es auch Verbindungen
zur Führungsetage des Pentagon[2]und zu Severo Moto, dem Oppositionsführer
von Äquatorialguinea, der im spanischen Exil lebt. Moto lauert schon lange
auf eine Gelegenheit, die 25-jährige Diktatur von Teodoro Obiang Nguema zu
beenden. Die in Harare geplatzte Operation galt der früheren spanischen
Kolonie am Golf von Guinea. An den Ölvorkommen in diesem „afrikanische
Kuwait“ zeigen US-Unternehmen in jüngster Zeit lebhaftes Interesse.[3]
„Die Schrecklichen“, die immer wieder in den Konflikten Afrikas mitgemischt
hatten, waren seit einiger Zeit von der Bühne verschwunden. In den
1960er-Jahren hatten sie im Kongo (später Zaire, heute Demokratische
Republik Kongo) interveniert, in den 1970er- und 1980er-Jahren auf den
Komoren und den Seychellen, in Bénin, Guinea, Rhodesien (heute Simbabwe)
und Angola.
Die „vaterlandslosen Soldaten“ kamen vor allem aus Großbritannien,
Frankreich, Südafrika und Israel. Zur Zeit der antikolonialen Erhebungen
und im Kalten Krieg fanden sie mehr oder weniger offene Unterstützung in
verschiedenen Lagern: in Marokko bei König Hassan II., in Gabun bei
Präsident Omar Bongo, in Rhodesien beim Apartheidsregime von Ian Smith,
aber auch bei führenden französischen Politikern, wie Jacques Foccart, Chef
der Afrikaabteilung im Élysée-Palast, und bei Exministerpräsident Michel
Debré, dessen Wahlkreis auf der Insel Réunion liegt.
Eine der rätselhaftesten Figuren unter den Söldnern ist Robert „Bob“
Denard, der an vielen Orten herumgeisterte: in Rabat und Kisangani, in
Conakry und Cotonou, in Salisbury und Pretoria oder auch in Libréville und
Moroni. Nach eigenem Bekunden führte er einen Feldzug gegen den
Kommunismus, wobei er nie gegen die Interessen seines Heimatlands
Frankreich verstoßen wollte. Freilich wartete er nie ab, bis er von
offizieller Seite „grünes Licht“ bekam.[4]Die Söldner behaupteten stets,
„die Zivilisation zu verteidigen“, doch zumeist agierten sie im Auftrag von
Geheimdiensten und multinationalen Unternehmen (etwa dem französischen
Ölkonzern Elf). Und wo immer sie auftraten, hinterließen sie eine Spur der
Verwüstung – Plünderungen, Übergriffe, Massaker – oder anhaltendes Chaos,
wie etwa in den 1960er-Jahren im Kongo.
Die alten „Soldiers of fortune“ wurden mittlerweile durch eine neue
Generation von Leuten abgelöst, die überwiegend aus Afrika selbst stammen.
Schon 1997, als Präsident Joseph Mobutu im damaligen Zaire gegen die
Aufständischen unter Laurent-Désiré Kabila vorging, setzte er neben
Franzosen und Osteuropäern vor allem Söldner aus Südafrika, Togo und Angola
ein. Und in der Elfenbeinküste unterstützten 2002 Söldner aus Liberia
zunächst das Regime von General Robert Gueï und dann die Militärrebellion
gegen den heutigen Präsidenten Laurent Gbagbo.
Neuerdings kommen die Kämpfer vor allem aus den postsowjetischen Ländern
Osteuropas. Besonders begehrt sind Offiziere der Luftwaffe. Präsident
Gbagbo engagierte 2004 eine ganze Truppe ukrainischer Kampfpiloten, die
laut Vertrag nicht nur technische Hilfe für die ivorische Luftwaffe
leisten, sondern mit ihren MI-24-Hubschrauber direkt in die militärischen
Konflikte eingreifen sollen. In letzter Zeit kamen sie bei den Plünderungen
im westivorischen Zouan-Hounien, in der Stadt Vavoua und in Gohitfala zum
Einsatz.[5]
In Frankreich, Großbritannien und Südafrika hat man inzwischen allerdings
gesetzliche Regelungen verabschiedet, die den Einsatz von Söldnern von
vornherein verhindern sollen (siehe Seite 19). Das ist beim Putschversuch
in Äquatorialguinea gelungen, der von London im Verein mit Südafrika
vereitelt wurde. Und auch Paris hatte schon 2002 zusammen mit der Regierung
Madagaskars verhindert, dass eine Söldnertruppe auf der Insel landen
konnte.
Dass die Söldnertruppen keine Nachwuchsprobleme haben, liegt am Abbau und
an den Umstrukturierungen der Streitkräfte in den westlichen und
postkommunistischen Ländern, aber auch in Afrika (vor allem Südafrika).
Zudem wird die Dauer der staatlichen Militäroperationen im Durchschnitt
immer kürzer, weshalb sich die Spezialisten für Waffentechnik, Logistik,
Kommunikation und Computertechnologie mehr Aufträge auf dem freien Markt
verschaffen müssen. Und im Westen wie in Afrika blüht das Gewerbe der
privaten Sicherheitsfirmen. Das bedeutet günstige Angebote auch für Leute,
die nichts Gutes im Schilde führen.
Die „guten alten Zeiten“, als Söldnertruppen noch für Ideologien kämpften
und von Bob Denard als „Freibeuter der Republik Frankreich“ apostrophiert
werden durften, sind längst passé. Heute geht es nur noch ums Geld: Man
macht Geschäfte, man bietet eine ganze Palette von Dienstleistungen an –
von Sicherheitsberatung und Personalausbildung über Schutztruppen für
Bergbau- und Ölförderanlagen bis hin zu bewaffneten Einsätzen. In Afrika
war Executive Outcomes[6]der Vorreiter dieser Entwicklung, eine
Sicherheitsfirma, die sich durchaus mit den derzeit im Irak tätigen großen
britischen und amerikanischen Private Military Companies (PMC) messen kann.
Das südafrikanische Unternehmen, 1998 aufgelöst, hat nach seiner
Neugründung im Ausland schon wieder bis zu 3 000 Mann auf der Gehaltsliste,
darunter ehemalige Mitglieder des britischen Special Air Service (SAS),
rhodesische Selous Scouts, Angehörige des 32. südafrikanischen Bataillons
(Buffalo), in dem auch Firmengründer Eeben Barlow diente, und angolanische
Kommandoeinheiten (Recce) – eine Kollektion von Veteranen, die einst gegen
die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika kämpften.[7]
1993 half Executive Outcomes der angolanischen Regierung, die von der
Unabhängigkeitsbewegung Unita besetzten Ölfelder von Soyo zurückzuerobern.
1995 führte die Söldnerfirma in Sierra Leone die Wende im Bürgerkrieg
herbei: Eine von ihr ausgebildete Eliteeinheit eroberte die Umgebung der
Hauptstadt und eines der wichtigsten Diamantenfelder zurück, fungierte dann
als Schutztruppe bei den Wahlen und machte sich zuletzt sogar um
„humanitäre“ Einsätze verdient. Nach dem Urteil von James Jonah,
UN-Sondergesandter in Freetown, wurden diese „diszipliniert und effektiv
agierenden Profis, die sich nicht durch die Vergangenheit von ihren
aktuellen Aufgaben ablenken lassen“, zur Hauptstütze der „rechtmäßigen
Regierung im Kampf gegen die schlimmsten Formen des Banditentums“[8].
Diese „seriösen“, auf vertraglicher Basis operierenden Söldner von
Executive Outcome liefen den Privatsoldaten der alten französischen Schule
rasch den Rang ab. Letztere kämpften nur noch ab und an für die verlorene
Sache diverser Diktatoren im frankophonen Afrika – und das oft vergeblich,
wie etwa 2002 in Madagaskar. Dass in Frankreich viele Mitarbeiter der
Sicherheitskräfte und des Militärs in den Vorruhestand geschickt wurden,
ließ einen neuen Markt für Experten im Bereich der verdeckten Einsätze
entstehen. Aus den Forces spéciales, den Eliteeinheiten der Polizei und
Gendarmerie, der Fremdenlegion, den Geheimdiensten und einigen
Fallschirmjäger-Sondereinheiten – und nicht zuletzt aus privaten
Sicherheitsdiensten, wie dem Département protecion sécurité des Front
National – rekrutierte sich das Personal für die Operationen in Zaire (1997
und 2001), Madagaskar (2002) und Elfenbeinküste (2001–2003).
Eine zentrale Rolle bei der Anwerbung sollen dabei ehemals hochrangige
Staatsdiener gespielt haben: Paul Barril, Alain Le Caro[9], Phillippe
Legorjus und Robert Montoya aus den Reihen der französischen Polizei, aber
auch der ehemalige Generalstabschef der Armee, General Jannou Lacaze, der
für die französische Sicherheitsfirma Geos als Berater tätig ist. Deren
Aufsichtsratsvorsitzender ist im Übrigen Exgeneral Jean Heinrich, der
frühere Chef des militärischen Geheimdienstes DRM, der auch für die
Sondereinsätze des Auslandsgeheimdienstes DGSE verantwortlich war. Die
Firma Geos wurde 1997 von jüngeren Leuten gegründet, die aus dem DGSE
ausgeschieden waren. Sie ist heute in rund fünfzig Staaten tätig und hat
Zweigstellen in Algerien, Russland und Saudi-Arabien. Demnächst will sie
auch ein Büro in Libyen eröffnen.[10]
Ein weiteres wichtiges Unternehmen der Branche ist Barill Sécurité. Sein
Gründer Paul Barril, dem man nachsagt, als Berater afrikanischer
Staatschefs wie „Tintin in Afrika“ aufzutreten, fühlt sich nach eigenen
Aussagen immer noch wie ein „Offizier der Gendarmerie“. Seine Firma hat
nicht nur Sicherheits- und Antiterrorpakete im Angebot, sondern auch
Spionageabwehr, verdeckte Ermittlungen sowie die Ausbildung in „extremen“
Kampfsportarten. In ihrer Werbung verweist die Firma auf Barrils
persönliche Erfahrungen mit Kriseneinsätzen.
Für die Söldnerfirmen könnte die Privatisierung von Friedensmissionen zu
einem neuen Betätigungsfeld werden. Seit in Ruanda (1994) belgische
Blauhelme und in Somalia (1993) US-Marines ums Leben kamen, zeigen die
westlichen Nationen wenig Begeisterung, wenn es um militärische
Interventionen in Afrika geht. Bei solchen traditionellen Einsätzen haben
sich nur Großbritannien (in Sierra Leone) und Frankreich (in der
Elfenbeinküste) engagiert. Der stellvertretende UN-Generalsekretär Sergio
Vieria de Mello, der 2003 beim Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad
getötet wurde, hatte schon früh angeregt, in Afrika „notfalls“ auch private
Sicherheitstruppen mit dem Schutz humanitärer Organisationen zu
beauftragen.[11]
Um mit den Regierungen im Geschäft zu bleiben und sich international einen
guten Ruf zu verschaffen, waren die privaten Sicherheitsdienste in Afrika
und anderen Regionen auch bereit, sich auf die Vorgaben der Weltbank
bezüglich Rechtsstaatlichkeit und „good governance“ einzulassen. All diese
Firmen haben sich mittlerweile einen Verhaltenskodex gegeben und sich auf
ethische Grundsätze verpflichtet, die garantieren sollen, dass sie nur mit
legitimen Regierungen und innerhalb des gesetzlichen Rahmens arbeiten
werden. Das passt perfekt zur Strategie des „Outsourcing“ von
Sicherheitsaufgaben, die vor allem die USA und Großbritannien verfolgen –
und die neuerdings im Irak ganz neue Dimensionen erreicht.
Doch der Gang der Dinge in Sierra Leone und Angola ist nicht gerade eine
Empfehlung für dieses Konzept: Die Söldner blieben nur kurz im Lande, auch
reichte ihre Autorität nicht aus, um stabile Verhältnisse herzustellen. Und
aufgrund der Ausnahmeregeln, die für Regionen mit Bergbaukonzessionen
ausländischer Firmen gelten, entwickelten sich allenthalben „rechtsfreie
Zonen“.[12]
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die Söldnerfirmen erneut
Rückenwind bekommen. Heute bereitet es kaum noch Schwierigkeiten, die
Konventionen der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union (AU) zu
umgehen, die ebenso wie Gesetze Südafrikas und Frankreichs den Einsatz von
Söldnern verbieten. Inzwischen empfehlen manche Experten bereits, solche
Firmen als professionelle Anbieter bestimmter Dienstleistungen anzuerkennen
– in der Hoffnung, dass dann bei ihren naturgemäß überaus heiklen Missionen
wenigstens gesetzliche Mindeststandards garantiert sind.
deutsch von Edgar Peinelt
12 Nov 2004
## AUTOREN
DIR PHILIPPE LEYMARIE
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